Nach einer Umfrage zweifeln die meisten Deutschen an der erotikfreien Freundschaft zwischen Mann und Frau

Im New Yorker Restaurant Katz’s Delicatessen markiert ein Schild jenen legendären Tisch, an dem eine Frau einen Orgasmus vorgetäuscht hat. Nun soll dergleichen ja in Schlafzimmern vorkommen; in ausgebuchten Restaurants ist dies eher selten. In dem Film „Harry und Sally“ jedenfalls mimt Sally mitten im prallvollen Katz’s einen furiosen Höhepunkt, um ihrem Tischpartner Harry alle männlichen Latin-Lover-Illusionen zu rauben. Zentrales Element des Streifens ist die bange Frage, ob Männer und Frauen erotikfrei miteinander befreundet sein können. Sie ist auch 25 Jahre später noch brandaktuell: Nach einer neuen Studie im Auftrag von Jacobs-Kaffee halten mehr als die Hälfte der Deutschen dies für völlig unmöglich. Für einen durstigen, sinnenfrohen Menschen ist es in der Tat wenig beglückend, vor einem Glas Champagner zu sitzen und nicht einmal nippen zu dürfen. Und für die meisten Männer rangiert das Gebot „nur angucken, nicht anfassen“ auf der Ebene von „bei Ihnen ist leider eine Wurzelresektion notwendig“. Bildungsnahe sprechen von „platonischer Liebe“ zwischen Mann und Frau. Das ist nicht wirklich hilfreich, denn der alte Philosoph Platon stand gar nicht auf Frauen. Da ist es leicht, platonisch befreundet zu sein!

Für einen Mann, der dem weiblichen Geschlecht stark zugeneigt ist, geht Freundschaft oft nur dann, wenn er sexuell anderweitig ausgelastet ist – oder wenn „sie“ nicht sein Typ ist. Dann kann man natürlich Vertrauen zelebrieren, bis der Arzt kommt, ohne einschlägig abgelenkt zu sein. Viele Männer ziehen allerdings die beliebte „Freundschaft Plus“ vor. Wenig tröstlich ist die Erkenntnis, dass das „Harry-und-Sally-Syndrom“ jenseits der 70 etwas an Brisanz verliert. „Viele Frauen möchten mit Männern träumen – aber ohne mit ihnen zu schlafen. Man mache sie auf das Unmögliche dieses Vorhabens aufmerksam“, sagte der Schriftsteller Karl Kraus (1874–1936). Der hat auch sonst sehr kluge Sachen gesagt.