Nach dem Relegations-Rückspiel gegen Greuther Fürth steht der HSV nächste Woche vor einer weiteren geschichtsträchtigen Entscheidung. HSVPlus – ja oder nein? Noch gibt es viele offene Fragen.

Hamburg. Der kommende Sonntag wird geschichtsträchtig. Ein neues EU-Parlament wird gewählt, auch in der Ukraine gehen die Bürger ins Wahllokal. Und beim HSV heißt die Frage: HSVPlus – ja oder nein? Auf der großen Vereinsversammlung im Stadion soll die Mitgliedschaft des Bundesliga-Dinos, der heute in Fürth um sein sportliches Überleben kämpft, über die Ausgliederung in eine Fußball-AG abstimmen. Eines steht fest: Mit Abpfiff des Relegationsrückspiels wird es beim HSV nur noch um dieses Thema gehen. Die nächsten Tage sind für Wahlkampf- und Informationsveranstaltungen durchgetaktet.

Beim Blick auf die Tagesordnung der HSV-Versammlung wird klar, was für ein kompliziertes Konstrukt auf den Weg gebracht werden soll. Neben der eigentlichen Abstimmung über HSVPlus, das eine Dreiviertelmehrheit zur Umsetzung benötigt, stehen 61 weitere Anträge auf der Tagesordnung. Veranstaltungsbeginn ist um 11 Uhr – es wird wohl wieder eine Marathonsitzung geben.

HSVPlus-Gegner nachdenklich

Mit etwas Abstand scheint die Sache klar zu sein. So wie bisher geht es beim HSV nicht weiter. Die desaströse Bundesligasaison, dazu die zunehmend bedrohliche finanzielle Lage haben selbst hartgesottene HSVPlus-Gegner in den vergangenen Wochen nachdenklich gemacht. Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann, bekannt für einen kritischen Blick auf den HSV, sagte dazu: „Von außen betrachtet ist die Strukturreform der einzige Weg. Die Weichen sind gestellt, viele Leute sind sich offenbar bewusst, dass jetzt etwas passieren muss. Sonst würde der Verein über kurz oder lang den Bach runtergehen.“

Doch so einfach ist der HSV nicht gestrickt. An der Vereinsbasis regt sich gleichsam Widerstand. Amateur-Vertreter fürchten um ihren Einfluss, es geht um Markenrechte und das Stadion – verbleibt die Arena beim Universalsportverein HSV e.V. oder geht es in die Fußball AG über? Auf einer Informationsveranstaltung für Mitglieder gab es an den Vorstand immer wieder Fragen nach den Folgen einer möglichen Insolvenz – würde dann nicht doch der e.V. für die Fehler der AG haften müssen?

Bericht hatte ursprünglich 300 Seiten

Der vorgelegte Ausgliederungsbericht des HSV-Vorstandes hatte ursprünglich 300 Seiten. Viel Juristerei, für ein einfaches Mitglied im Grunde nicht zu Durchschauen. Am morgigen Montag wird der aktuelle Aufsichtsratsvorsitzende Jens Meier versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen. Er hat die Unterlagen prüfen lassen. „Ich halte es für meine Pflicht, die HSV-Mitglieder zu informieren“, sagt Meier vorab.

Am vergangenen Donnerstag, im Rahmen des Relegationshinspiels gegen Greuther Fürth, hat Thorsten Runge darüber hinaus ein zwölfseitiges Schreiben im Stadion verteilt. Runge ist Mitglied im HSV-Seniorenrat und „König“ der Antragsteller für den kommenden Sonntag. Allein zwölf Änderungsvorschläge zum HSV-Plus-Modell hat er eingereicht. Runge hat Zweifel, ob er den Verantwortlichen trauen kann.

Weil sich der ursprüngliche Ausgliederungsbericht und die zweite Fassung, die nun zur Abstimmung kommt, in einigen Punkten unterscheiden, fragt er sich: „Entweder diese Fachleute sind nicht kompetent genug gewesen, dann darf man ihnen auch nicht das Zutrauen schenken. Oder aber die Mitgliedschaft sollte bewusst getäuscht werden. In diesem Fall darf man natürlich erst recht kein Vertrauen in die Umsetzung haben.“ Auf dem Titel seiner Schrift stellt Runge darüber hinaus die rhetorische Frage: „HSVPlus – oder doch eher HSVMinus?“

Kampf um Beiersdorfer

Derartige Bedenken möchte Otto Rieckhoff, der Initiator des Ausgliederungsmodells, im Laufe der nächsten Tage endgültig ausräumen. Sein Sechser-Gremium für den neuen Aufsichtsrat einer Fußball AG steht (Karl Gernandt, Peter Nogly, Thomas von Heesen, Felix Goedhart, Bernd Bönte, Dieter Becken). Nun soll es vorgestellt werden, und die Herren sind angehalten, letzte Zweifel beiseitezuräumen.

Karl Gernandt, rechte Hand von Unternehmer Klaus-Michael Kühne, nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Gernandt, 53, ist ein erfahrener Manager, der einen hervorragenden Ruf genießt. Zwei Dinge treibt er jetzt schon im Hintergrund voran. Zum einen hat er mit dafür gesorgt, dass Milliardär Kühne bereits eine Bürgschaft in Höhe von zehn Millionen Euro zur Lizenz-Sicherung zur Verfügung gestellt hat. Vor allem aber arbeitet Gernandt am dicksten Brocken: Dietmar Beiersdorfer. Seit Monaten wird um den ehemaligen HSV-Manager gebuhlt, der als neuer Vorstandsvorsitzender der AG geholt werden soll.

Die Idee klingt ja auch charmant: Beiersdorfer, 50, ist fachlich über jeden Zweifel erhaben. Er besitzt ein großes HSV-Herz und steht für eine erfolgreiche Vergangenheit in Hamburg. Bei seinem aktuellen Verein, Zenit St. Petersburg, besitzt der gebürtige Franke einen Vertrag bis 2015. Der HSV reize ihn, heißt es aus Beiersdorfers Umfeld.

Doch Beiersdorfer zögert: Sieht er sich auch als Sanierer, der er in Hamburg sein müsste? Nur in einem sind sich alle HSVer vor der Versammlung am 25. Mai einig: Auch zu diesem Zeitpunkt soll ihr Verein doch bitteschön noch ein Erstligist sein.