Retter finden das Mädchen erst nach einer halben Stunde. Angehörige unter Schock. Zustand der Verunglückten auch am Abend noch kritisch.

St. Pauli. Als die Einsatzkräfte den breiten Steg zur Promenade oberhalb der Landungsbrücke 1 hinaufhetzen, die Trage mit dem leblosen Kind in ihrer Mitte, ist es noch immer ein Kampf um Leben und Tod. Mehr als eine halbe Stunde hatten Notärzte und Rettungsassistenten da bereits versucht, das kleine Mädchen zu reanimieren. Fast ebenso lang soll es im Wasser getrieben haben, nachdem es an den Landungsbrücken in die Elbe fiel.

Das Unglück an den Landungsbrücken wirft viele Fragen auf. Eine drängt sich besonders auf: Warum hat anscheinend niemand etwas getan, als das Mädchen in den Strom fiel? Hunderte Schaulustige und Touristen hatten die Landungsbrücken an diesem sonnigen Montagnachmittag bevölkert. Nach Abendblatt-Informationen war es schließlich ein Berufsfeuerwehrmann der Innenstadtwache, der das fünfjährige Mädchen aus dem zwölf Grad Celsius kalten Wasser zog.

Noch ist nicht völlig klar, was Montagnachmittag an den Landungsbrücken geschah. Gegen 15.30 Uhr erreicht die Feuerwehr der Notruf, dass ein Kind ins Wasser gefallen sei. Mit einem Großaufgebot machen sich die Beamten auf den Weg zum Johannisbollwerk. Die Libelle, der Hubschrauber der Polizei, steigt auf. Die Hubschrauberbesatzung wird kurz darauf, zusammen mit zahlreichen Bootsmannschaften der Wasserschutzpolizei die Elbe absuchen.

Doch als die Feuerwehr vor Ort eintrifft, ist der kleine Körper bereits untergegangen, nicht mehr zu sehen. Die Schifffahrt wird eingestellt, der Strom von Land, zu Wasser und aus der Luft abgesucht. Dennoch: Fast eine halbe Stunde bleibt das Mädchen verschwunden. Die Beamten treibt die Sorge, es könnte unter die Pontons gedrückt worden sein. Bei auflaufendem Wasser, bei Flut, ist die Strömung lebensgefährlich. Mehrere Meter pro Sekunde drückt das Wasser dann elbaufwärts.

Erst gegen 16 Uhr entdeckt der Feuerwehrmann den im trüben Wasser treibenden Körper: in einem kleinen Schacht an der Verbindungsstelle zwischen zwei Pontons, knapp 30 Meter vom Aufgang zur „Rickmer Rickmers“ entfernt. Der Beamte springt ins Wasser, ein Kollege auf dem Ponton nimmt das Mädchen entgegen, beginnt unmittelbar mit der Reanimation. Eine halbe Stunde später entschließen sich die Rettungskräfte, die Verunglückte „unter Reanimationsbedingungen“ ins Krankenhaus zu bringen.

Mädchen in künstliches Koma versetzt

Gegen 19 Uhr ist ihr Zustand noch immer kritisch, letzten Informationen zufolge wurde die Fünfjährige in ein künstliches Koma versetzt und an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Laut Polizei ist die Reanimation damit geglückt, doch in Lebensgefahr schwebt sie noch immer. Das kalte Wasser könnte sich zugunsten des Mädchens auswirken. Wie der Sprecher der Feuerwehr, Manfred Stahl, vor Ort erklärt, verlangsamen sich mit der Kälte nicht nur der gesamte Kreislauf, auch die Hirnströme, was die Chance auf eine Wiederbelebung und das Ausbleiben größerer Schäden erhöht.

Nach Abendblatt-Informationen war das Mädchen mit ihren Eltern und sechs weiteren Verwandten zu Besuch in Hamburg. Die Familie kommt aus Bingen am Rhein. Wo die Eltern waren, als ihr Kind ins Wasser fiel, ermittelt jetzt das Landeskriminalamt. Drei Verwandte erlitten einen Schock, darunter auch der Vater des Mädchens. Sie wurden in Krankenhäuser gebracht.

Auch wenn die Frage „Warum ist niemand dem Mädchen hinterhergesprungen?“ auf der Zunge liegt, die Experten von der DRK Wasserwacht raten dringend ab. „Wer in so einer Situation hinterherspringt, begibt sich selbst in Lebensgefahr“, sagt Christian Reise. „An den Landungsbrücken herrschen unberechenbare Strömungen.“ Das Richtige sei, sofort 112 anzurufen.

„Selbst unsere erfahrenen Rettungsschwimmer gehen nur an einem Sicherungsseil ins Wasser“, so Reise. Dazu komme die Gefahr durch den Fährverkehr. Reise: „Wer sich nicht selbst gefährden will, kann nichts weiter tun, als schnell Hilfe zu alarmieren.“