Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte. Der Historiker und Abendblatt-Redakteur Dr. Matthias Schmoock hat sich auf eine Zeitreise begeben

Altonas Geschichte ist erstaunlich: Aus einer einfachen Kneipe (die angeblich „all to nah“ in Richtung Hamburg gerückt war) und ein paar Häuschen entwickelte sich die größte Stadt Schleswig-Holsteins, die schon 1927 rund 230.000 Einwohner aufbieten konnte. Das unter dänischer Herrschaft stehende Altona hatte bereits 1664 das Stadtrecht erhalten – und damit besondere Privilegien: Religions-, Gewerbe- und Zollfreiheit für jedermann. Damit war eine Grundlage für den rasanten Aufstieg der Stadt gelegt.

Diese Freiheiten machten Altona zum Magneten, außerdem lockten unter anderem günstigere Lebenshaltungskosten als in Hamburg. Das 18.Jahrhundert wird zu Recht als das goldene Zeitalter Altonas bezeichnet. Handels-, Bank- und Zeitungswesen – um nur ein paar Beispiele zu nennen – entwickelten sich schnell und effizient, hinzu kamen viele soziale Einrichtungen. Altona galt als Mittelpunkt der Aufklärung in Schleswig-Holstein.

Ende des 18. Jahrhunderts waren fast zehn Prozent der 24.000 Einwohner Juden – der große jüdische Friedhof an der Königstraße erinnert noch ein wenig an diese Zeit. Die Palmaille, Altonas eleganteste Straße, war in ihren Grundzügen schon in den Jahren 1638 bis 1639 angelegt worden, und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ließen sich dann wohlhabende Altonaer hier ihre klassizistischen Wohnpaläste errichten. Der permanente Wettstreit mit der Nachbarstadt war immer wieder ein großes Thema und verärgerte viele Hamburger Honoratioren dauerhaft. Was viele nicht wissen: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte Altona eine größere Handelsflotte als Hamburg.

1839 verkehrte erstmals die Bassonsche Pferdeomnibuslinie zwischen Altona und Hamburg, ein neuer Bahnhof (Grundsteinlegung 1845) schuf dann landesweite Verbindungen. Mit dem Anschluss an Preußen (1866/67) wurden die Weichen neu gestellt: Altona entwickelte sich von nun an stärker zu einem Industriestandort und – damit verbunden – in Teilen zu einem Arbeiterwohnquartier.

1887 wurde auf dem Altonaer Fischmarkt die erste Fischauktion veranstaltet, und 1895 erbaute man die Fischauktionshalle. 1913 war Altona größter Fischanlandeplatz Deutschlands. An der Großen Elbstraße schlug das wirtschaftliche Herz der Stadt mit den fast 173 .000 Einwohnern (anno 1910). Der davor liegende Holzhafen, der in den Jahren 1722 bis 1724 angelegt worden war, gilt als das älteste noch erhaltene Hafenbecken Hamburgs.

Als Übergang vom Hafenrand zur darüber liegenden Wohngegend legte man 1887 die schöne Köhlbrand-Treppe mit den Wappen Hamburgs und Altonas an, die heute noch unverändert erhalten ist. 1874 wurde der Hafenbahntunnel gebaut, der sich rasch zur Lebensader Altonas entwickelte. Er verband den Hafen mit dem Altonaer Bahnhof und war für den Fischhandel und die Fisch verarbeitende Industrie unverzichtbar. Der Schellfischtunnel soll auch heute noch der längste Eisenbahntunnel Norddeutschlands sein.

1889 wurden Ottensen und Neumühlen nach Altona eingemeindet, 1890 folgten Bahrenfeld, Othmarschen und Övelgönne. 1927 kamen unter anderem die Elbvororte, Stellingen und Eidelstedt zu „Groß-Altona“.

Als Altona 1937 mit Hamburg zwangsverheiratet wurde, sahen das viele Traditionalisten skeptisch. Die Schrecken, die folgen würden, konnten sich aber nur wenige vorstellen. Am Ende standen der Krieg und damit der Untergang von Altona-Altstadt und der Tod Tausender. Zwischen dem Fischmarkt und der Königstraße war 1945 kaum ein Haus stehen geblieben. Das alte (zweite) Altonaer Rathaus, von 1761 bis 1721 errichtet, das an der Ecke Königstraße/Lange Straße (heute Dosestraße) stand, wurde ebenso zerstört wie das barocke Gebäude der Altonaer Sternwarte (von 1821). An der Stelle der Heiligengeistkapelle, 1716 bis 1718 erbaut, steht heute der Eingang zum Bahnhof Königstraße. Nebenan finden sich noch ein paar versteckte Grabsteine, darunter der des Reformpädagogen und Altonaer Schulleiters Ernst Schlee. St. Trinitatis, 1743 geweiht, war eine totale Ruine und wurde von 1963 bis 1969 mühsam wieder aufgebaut.

Heute steht die Kirche, einst Mittelpunkt einer traditionsreichen Gegend, ziemlich allein da.

Das 18. Jahrhundert gilt als das goldene Zeitalter Altonas. Die Stadt hatte früher eine größere Flotte als der Nachbar Hamburg.