Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte. Der Historiker und Abendblatt-Redakteur Dr. Matthias Schmoock hat sich auf eine Zeitreise begeben

Sie heißen Eppendorfer Weg und Stadtteilschule Eppendorf, befinden sich genau genommen aber eigentlich in Hoheluft. Am Lehmweg und dem Abendrothsweg bezeichnen sich die Anwohner ganz selbstverständlich als Eppendorfer, die Geschäftsinhaber werben unter diesem Stadtteilnamen, die Makler sowieso. Niemand würde sich als Hohelufter bezeichnen – schon gar nicht in Kombination mit dem Wort Ost. Das ist auch verständlich, denn bis 1939 gehörte Hoheluft noch zu Eppendorf, erst 1939 wurde es selbstständig und 1951 zweigeteilt. Auch sonst ist Hoheluft erstaunlich jung.

Die Gegend zwischen Schlump und dem alten Eppendorf war im ausgehenden 19. Jahrhundert noch kaum bebaut. Ortsbezeichnungen wie Lehmweg und „Beim breiten Felde“ (seit 1896: Breitenfelder Straße) deuten diese Einsamkeit noch an. Ein alter Heerweg führte von der Stadt in Richtung Lokstedt und Eppendorf – seit 1864 hieß er Hoheluftchaussee. Östlich davon, im heutigen Zentrum von Hoheluft-Ost, lagen einsam die Landsitze der Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth und Hermann Goßler, am östlichen Ende der Bismarckstraße weideten Kühe.

Mit der Ruhe war es vorbei, als Hamburgs Bevölkerungszahl im Zuge von Reichsgründung und Industrialisierung stark anstieg. Nach der Aufhebung der Torsperre hatte sich die Bevölkerung spätere Stadtteile wie Rotherbaum, Eimsbüttel und Hamm erobert, nun kam die Zeit für Hoheluft, und zwar im Eiltempo.

Die Bebauung des Gebiets nordöstlich der Hoheluftchaussee mit Etagenhäusern, ungefähr zwischen Isebekkanal und der heutigen Breitenfelder Straße, wurde erst um 1885 in Angriff genommen und galt schon vor dem Ersten Weltkrieg als abgeschlossen. 1899 stellte die Zeitung „Hamburger Nachrichten“ fest: „Die Gegend um Hoheluft hat ihren Charakter gänzlich verändert.“ Hinzu kam, dass – ähnlich wie beispielsweise in Winterhude, Barmbek und Teilen von Uhlenhorst und Eppendorf – in einigen Ecken die Wohnbebauung mit Gewerbeansiedlung kombiniert wurde. Unter anderem entstanden eine Tabakfabrik an der Hoheluftchaussee, eine Brotfabrik am Isebekkanal und eine Keksfabrik am Mühlenteich. Hoheluft war damit von Anfang an uneinheitlich bebaut und weniger mondän als zum Beispiel die Gegend um den Klosterstern.

1889 hatte die Hamburgische Straßen-Eisenbahn-Actiengesellschaft (SEG) zwischen Lehmweg und Hoheluftchaussee ein großes Gelände gekauft und von 1891 an dort ein Straßenbahndepot mit Wagenbauanstalt und einer „Central-Reparaturwerkstatt“ errichten lassen. „Das sehr umfangreiche, ungewöhnlich billig erworbene Terrain gestattet es, alle Gebäude so zu legen, daß jeder Raum Licht und Luft in ausreichendstem Maasse erhielt“, heißt es in einem Aufsichtsratbericht von 1892.

Da die SEG darauf angewiesen war, dass ihre Arbeiter quasi rund um die Uhr zur Verfügung standen, ließ sie einfache Wohnungen in der Nähe des Betriebs bauen. In den 1890er-Jahren wurden zwischen Falkenried und Löwenstraße Terrassen und Passagen angelegt, bis schließlich das gesamte Gelände gegenüber dem Straßenbahndepot mit insgesamt neun Häuserzeilen bebaut war.

Die sehen bis heute so aus, wie im Baupolizei-Gesetz von 1882 gefordert: Sie haben inklusive Erdgeschoss nur drei Stockwerke und keinen Keller. 1902 zogen die ersten Bewohner ein. Wegen ihrer minimalen Miete gingen die Wohnungen schnell weg. Eine Akte nennt „18,50 Reichsmark pro Monat“ für Parterrewohnungen, Etagenwohnungen waren zwei Mark teurer. In den insgesamt 76 Häusern lebten zeitweise mehr als 1000 Menschen.

Niemand würde sich als Hohelufter bezeichnen – schon gar nicht in Kombination mit dem Wort Ost. Besser ist Eppendorfer.