Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte. Der Historiker und Abendblatt-Redakteur Dr. Matthias Schmoock hat sich auf eine Zeitreise begeben

Fotos vom alten Borgfelde zeigen einen Stadtteil, der es heute vielleicht mit Eppendorf aufnehmen könnte. Doch das ist Vergangenheit. Borgfelde bildet einen Teil eines großen Gebietes, das Hamburg schon 1256 von den Schauenburger Grafen überlassen worden war. 1633 wurde am Geesthang ein Gesundbrunnen entdeckt, dessen Quellwasser einem verletzten Bauern angeblich spontane Heilung brachte.

Das zunächst noch spärlich besiedelte Borgfelde wurde – genau wie das benachbarte Hamm – während der Franzosenzeit zerstört und nur schleppend wieder aufgebaut.

Ein Haupthindernis für eine rasche Besiedelung war die noch bis 1866 bestehende Torsperre. Da das Berliner Tor abends – häufig aber auch schon gegen 16 Uhr – geschlossen wurde, mussten die Besucher aus der Stadt das ländliche Borgfelde nachmittags oft in großer Eile verlassen, um noch zügig nach Hause zu kommen.

Die Aufzeichnungen des späteren Borgfelder Pastors Buck beschreiben die Gegend in der Nähe der Bürgerweide Mitte des 19. Jahrhunderts als eine ländliche Idylle mit wogenden Kornfeldern und uralten Bäumen. Von Bucks Elternhaus auf Höhe der heutigen Elise-Averdieck-Straße hatte man direkten Blick auf die Türme der Stadt. Dort lag auch die Bürgerweide – die höher gelegenen Ländereien des alten „borchfeldt“, auf denen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Schafe der Hamburger Bürger weideten. Heute ist der Name in Form einer Hauptverkehrsader erhalten. Auf Höhe der heutigen Alfredstraße hatte seit 1822 sogar eine Windmühle gestanden, die aber bereits 1865 wieder abgerissen wurde.

Nach Aufhebung der Torsperre strömten viele Hamburger aus der drangvollen Enge der Stadt. Davon profitierte auch Borgfelde, das 1871 Vorort und 1894 Stadtteil von Hamburg wurde. Als die Stadt beschloss, den Hammer Brook ab 1888 zu bebauen, wurden die Weichen für die Erschließung im großen Stil gestellt.

Während die Borgfelder Straße und die angrenzenden Häuser als „Unten Borgfelde“ bezeichnet wurden, hatte sich auf dem Geesthang darüber „Oben Borgfelde“ herausgebildet. Dort wohnten – ähnlich wie in „Oben Hamm“ – die wohlhabenderen Bürger. Das Gefälle ist heute immer noch deutlich erlebbar, zum Beispiel auf Höhe der Klaus-Groth-Straße, allerdings ist von der großbürgerlichen Bebauung mit etlichen schönen Jugendstilbauten so gut wie nichts übrig geblieben.

Im Zuge der Verbreiterung der Borgfelder Straße wurde die hohe Böschung abgefangen und mit einer mehr als 500 Meter langen Basaltmauer verziert. 1908 war die Anlage fertiggestellt – als schönes Beispiel dafür, dass eine Straßenverbreiterung auch eine optische Verbesserung bedeuten kann. Gleich zehn elegante Treppenaufgänge verbanden die Straße mit „Oben Borgfelde“, die dazwischen liegenden Beete waren reich bepflanzt, es gab einen Brunnen und sogar kleine Grotten. „Das Werk (...) ist ein würdiges Glied in der Kette der Monumentalbauten der Stadt geworden, das den Stadtteil Borgfelde ganz bedeutend gehoben hat“, schrieb der „Hamburgische Correspondent“ im Mai 1908.

Im südlichen Borgfelde ging es weit weniger feudal zu. Rund um die Kreuzung Eiffestraße/Ausschläger Weg gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg viele industriell geprägte Betriebe und Gewerbehöfe, allerdings standen dazwischen – anders als heute – auch noch jede Menge Wohnhäuser. 1831 hatte Borgfelde genau 360 Einwohner, 1939 waren es rund 25.000.

Zu den Borgfeldern gehört übrigens auch die unvergessene Loki Schmidt, die in der Baustraße (heute: Hinrichsenstraße) aufwuchs und in der Burgstraße die Schule besuchte.

Im Zweiten Weltkrieg versank Borgfelde in Schutt und Asche – mehr als 95 Prozent der Wohnhäuser brannten nieder. Auch die erst 1903 eingeweihte Erlöserkirche, die Kapelle der Neuapostolischen Kirche und die Diakonissen- und Krankenheil-Anstalt Bethesda wurden zerstört. Der traditionsreiche Stadtteil war fast völlig verschwunden.

In „Oben Borgfelde“ wohnten die wohlhabenderen Bürger. Von den schönen Jugendstilbauten ist nichts mehr übrig geblieben.