Die Malteser sind ein karitativer Dienstleister und zugleich ein Wirtschaftsunternehmen

Der Termin um 12.30 Uhr ist jeden Tag eingetragen, jede Woche, jeden Monat. Kurz vorher vibriert das iPhone von Alexander Becker zur Erinnerung. Dann unterbricht er seine Arbeit, schließt seine E-Mails oder beendet ein Telefonat und geht von seinem Büro hinunter ins Erdgeschoss. Manchmal läutet er auf dem Weg dorthin die Glocke, die im Treppenhaus hängt. Manchmal hat das aber auch schon jemand vor ihm gemacht. Ora et labora steht darauf. Bete und arbeite. Die Glocke hängt nicht mehr wie früher in einem Benediktiner-Kloster, sondern in Hamburg bei den Maltesern. Ein Unternehmen zwischen Hilfsdienst und Wirtschaftsunternehmen, zwischen Gott und Geldverdienen, zwischen Meetings und Mittagsgebet.

Chef des Hamburger Malteser Hilfsdienstes ist Alexander Becker, 40. „Wobei Chef das falsche Wort ist“, sagt er und zeigt auf ein Kreuz im Andachtsraum. „Jesus Christus ist der Chef.“ Alexander Becker selbst ist Diözesan- und Bezirksgeschäftsführer. Das heißt, er leitet die Geschäfte des Malteser Hilfsdienstes in der Erzdiözese (Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg), die flächenmäßig die größte Diözese in Deutschland ist. Die Malteser sind eine katholische Hilfsorganisation und deswegen entsprechend den Strukturen der katholischen Kirche in Diözesen gegliedert. Alexander Becker selbst ist ebenfalls katholisch. Das ist Voraussetzung für einen Geschäftsführer der Malteser. „Es geht nicht darum, auf dem Papier katholisch zu sein. Sondern darum, den Glauben zu leben“, sagt er. Deswegen treffen sich einige Mitarbeiter in der Geschäftsstelle in Steilshoop täglich um 12.30 Uhr zum sogenannten Angelusgebet und freitags zum Wochenabschlussgebet mit Vaterunser, Fürbitten und Segen im hauseigenen Andachtsraum.

Die Malteser mit mehr als einer Million Mitgliedern und Förderern sowie 50 Millionen Euro an Spenden sind einer der großen karitativen Dienstleister in Deutschland, sehen sich selbst aber auch als Wirtschaftsunternehmen – mit fast 24.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 900 Millionen Euro. Allein in Hamburg sind es sieben Millionen Euro Umsatz. „Jeder, der mit Geld zu tun hat, ist ein Wirtschaftsunternehmen. Und jeder, der so viele Mitarbeiter hat, trägt eine große wirtschaftliche Verantwortung“, sagt Karl Prinz zu Löwenstein, 61, Vorsitzender der Geschäftsführung der Malteser Deutschland und des bundesweiten Malteser Hilfsdienstes e.V.

Er kennt sich mit Geld aus, war jahrelang in der Privatwirtschaft tätig. Zuerst bei Procter & Gamble im Bereich Pampers, dann bei Mars Incorporated, die den gleichnamigen Schokoriegel herstellen. Der größte Unterschied zwischen Mars und den Maltesern? „Bei uns ist das Geld das Mittel zum Zweck – und nicht der eigentliche Zweck“, so zu Löwenstein, räumt aber ein, dass in der Praxis der Unterschied manchmal vielleicht nicht so groß ist. „Auch wir mussten die Erfahrung machen, dass es finanziell eng werden kann. Auch wir müssen schauen, dass wir mit schwarzen Zahlen operieren. Unser Ziel ist es, so viel Gewinn zu machen, dass wir Investitionen aus eigener Kraft leisten können. Zum Beispiel für medizinische Ausrüstung, Rettungsfahrzeuge oder Immobilien für Hospize oder Kliniken.“

Schwarze Zahlen, Gewinn, Verluste, Mindestlohn – das beschäftigt die Malteser wie jedes andere Unternehmen. Das beschäftigt Prinz zu Löwenstein, seit er im Jahr 2000 zu den Maltesern kam und die Restrukturierung der Hilfsorganisation begleitet hat. Eine radikale Restrukturierung, die aufgrund des starken Wachstums im Dienstleistungsbereich (Fahrdienste, Hausnotruf, betreutes Wohnen) nötig war. „Wir konnten diese Entwicklung nicht mehr mit ehrenamtlichen Führungsstrukturen bewältigen “, sagt Prinz zu Löwenstein. Um sich dauerhaft am Markt etablieren und mit anderen konkurrieren zu können, seien verschiedene sozialunternehmerische Dienste neu aufgestellt und mit hauptamtlichen Führungskräften besetzt worden.

Auch ehrenamtliches Engagement gibt es nicht zum Nulltarif. Das ist Alexander Becker wichtig. Weil auch ehrenamtliche Helfer ausgebildet und eingekleidet werden müssen. Und das kostet Geld. Finanziert wird das unter anderem durch die 25.000 Fördermitglieder in der Diözese Hamburg.

Ein häufiger Vorwurf: Die Malteser zahlen Dumpinglöhne. „Der Mindestlohn, beispielsweise im Fahrdienst, liegt bei 7,50 Euro“, sagt Becker dazu. Er war früher einmal Zeitsoldat, hat dann Jura studiert und beim Sicherheitskonzern Securitas gearbeitet, bis er 2005 zu den Maltesern kam. „Wir würden gerne mehr bezahlen, müssen aber gleichzeitig natürlich die Kosten im Blick haben und die Effizienz steigern. Sonst gehen wir im Wettbewerb unter“, sagt Becker.

Die Arbeit der Malteser gleicht einem Balance-Akt zwischen Gemeinnützigkeit, Geldverdienen und Gott – oder? „Nein, eigentlich nicht“, sagt Becker. Denn Wirtschaftsunternehmen hin oder her, am Ende des Tages zähle nur der Mensch. „Das ist unser Leitspruch: Weil Nähe zählt“, sagt Alexander Becker und steht auf. Das Gespräch ist zu Ende.

Es ist gleich 12.30 Uhr.

Bei uns ist das Geld das Mittel zum Zweck – und nicht der eigentliche Zweck.