Bundesweit einmaliges Jugendparlament in Horn sanierte eine Unterführung für Fußgänger

Wer die U-Bahn-Station Horner Rennbahn verlässt und nach dem Fußgängertunnel fragt, hört oft noch: „Gehen Sie lieber über die Straßen, das ist schöner.“ Gemeint sind die mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen Rennbahnstraße und Washingtonallee, deren Überquerung bestimmt kein Vergnügen ist – der Tunnel muss also ziemlich abschreckend sein.

Tatsächlich haben ihn die Menschen aus der Umgebung lange „Mördertunnel“ genannt, auch wenn sich keiner mehr erinnert, wann hier jemand ermordet wurde. Gruselig genug war es in der ziemlich langen Unterführung allemal: schlecht beleuchtet, vermüllt, übel riechend und uneinsehbar. Seit 1967 hatte der Bezirk hier nichts mehr getan, sehr zum Ärger der hier wohnenden Familien, deren Kinder auf dem Schulweg die Wahl hatten zwischen Tunnel und großer Kreuzung.

Dank Denise und Rosa hat der Tunnel sein Erscheinungsbild jetzt komplett verändert. „Es musste endlich etwas geschehen“, sagen die 16-jährigen Mädchen, die sich seit einigen Monaten im Jugendparlament Horn engagieren. Die 14 bis 27 Jahre alten Mitglieder unterstützen seit 1997 selbstbestimmt und unbürokratisch Projekte im Stadtteil – ob Bolzplatzsanierung, Skatebahnbau, Taekwondo-Kurse oder Schülerseminare zur politischen Bildung. Dass das Jugendparlament dabei selbstbestimmt und eigenverantwortlich über ein Budget von 12.600 Euro aus dem Topf des Bezirks verfügen kann, macht es zu einem deutschlandweit einzigartigen Projekt. Der Wunsch von Denise und Rosa stieß im Jugendparlament, das 15aktive Mitglieder hat, auf großes Interesse und wurde innerhalb von drei Monaten umgesetzt. „Wir waren sowieso auf der Suche nach einer Fläche für ein Graffiti-Projekt“, sagt der Vorsitzende Pascal Transchel, 25. „Da kam der Tunnel wie gerufen.“ Transchel studiert Deutsch und Geschichte und setzt mit dem Jugendparlament und der Geschichtswerkstatt Horn gerade das Projekt „Tafelrunde“ um, bei dem 30 Metallschilder an historisch bedeutsame Orte in dem Stadtteil erinnern. Schnell entstand auch die Idee zum „Time-Tunnel“. Als „Sprayer“ gewannen die Jungparlamentarier den Streetart-Künstler Christian Delles. Nach einer Vorlage der Geschichtswerkstatt gestaltete er 500 Quadratmeter Tunnelwand mit bunten, comicartigen Bildern und kurzen Info-Texten.

Wer vom Einkaufszentrum Horner Rennbahn Richtung U-Bahn geht, erfährt jetzt in chronologischer Reihenfolge viel über die Geschichte Horns. Ein paar Beispiele: Anno 1306 wurde das Dorf zum ersten Mal urkundlich erwähnt, 1460 begann für 414 Jahre und sieben Monate an der östlichen Dorfgrenze „Letzter Heller“ (so heißt heute noch eine Straße) dänisches Hoheitsgebiet, 1557 wurde die Frau des Hufners von einem Wolf getötet, 1630 erwarb Hans de Herthoge den heutigen Blohmspark, 1771 wurde die Horner Marsch überflutet, 1840 der Adventskranz erfunden und 1869 das erste Galoppderby veranstaltet.

Insgesamt hat der „Time-Tunnel“ 23.000 Euro verschlungen. „Es hat sich gelohnt. Die Menschen gehen hier wieder gerne durch“, sagt Matthias Koberg, 48, der von Anfang an im Beirat des Jugendparlaments sitzt.