Die Männerwelt wird zunehmend vom Yoga-Boom erfasst. Aber nur, wenn niemand zusieht

Aus dem Biologieunterricht weißt du, dass dein Körper 656 verschiedene Muskeln besitzt. 50 davon steuern deinen Gesichtsausdruck. Und die haben jetzt ordentlich zu tun, denn es ist deine erste Yogastunde. Du liegst, krümmst, stemmst, verrenkst, streckst, beugst oder bückst dich auf einer blauen Gymnastikmatte auf hartem Parkettboden. Und die junge, anmutige Frau da vorn möchte, dass du noch weitere Muskeln, Sehnen und Bänder in deinem Körper entdeckst. Sie möchte, dass du gleichzeitig deine Atmung kontrollierst und die Stellungswechsel zwischen den verschiedenen Positionen in möglichst fließenden Bewegungsabläufen vollziehst.

„Die meisten Männer müssen tatsächlich erst mal eine Schwelle überwinden, bevor sie einen Yogakurs besuchen“, sagt Sonja Pottebaum. Die 30-Jährige ist Yogalehrerin und sagt: „Wenn man als Fortgeschrittener zum Beispiel die Füße hinter den Kopf bringt, ist das natürlich eine ziemlich freakige Position – für Männer.“

Noch freakiger sehen vermutlich die Versuche aus, sich an diese Position heranzutasten. Allein die Vorstellung, „die Füße hinter den Kopf zu bringen“, schmerzt. Doch längst ist es wissenschaftlich bewiesen, dass Yoga Stress, Schlafstörungen, Angststörungen, Depression, Migräne, Rückenschmerzen und Durchblutungsstörungen lindert.

Immer mehr Männer, vor allem diejenigen in den besten, mittleren Jahren, nehmen sich vor, mehr auf ihre Gesundheit zu achten. Nur wenn sie dafür mit einer Yogamatte konfrontiert werden, ist es ihnen erst einmal peinlich. Und am schlimmsten ist es, wenn ihnen dabei Frauen zuschauen können. Die einfache Lösung heißt: Yoga für Männer. Dehnen unter Gleichgesinnten sozusagen. „Der häufigste Unterschied ist: Frauen haben öfter Probleme mit Kraftpositionen“, sagt Sonja Pottebaum, „Männer dagegen können sich nicht dehnen.“ So wollten auch die meisten Männer durch Yoga beweglicher werden. Und natürlich „in die Entspannung kommen.“

Sie lehrt Vinyasa-Yoga, ein relativ kraftvolles Yoga, wie sie sagt, das recht fließend, auch etwas tänzerisch sei, „aber dafür auch relativ wenige esoterische Elemente enthält. Mantren singen gehört zwar dazu, aber entscheidend ist, wie man die verschiedenen Elemente portioniert“. Nur an den 84 „Asanas“, den festgeschriebenen Körperübungen, komme niemand vorbei.

Man kann inzwischen getrost von einem Boom sprechen, von dem seit Neuestem in Hamburg – unter vielen anderen privaten Yogazentren und -schulen sowie der (besseren) Fitnessclubs – auch der Lanserhof profitiert, ein „regenerations- und präventionsmedizinisches Zentrum“ mitten in der Stadt am Stephansplatz.

Seit knapp drei Monaten treffen sich hier jeden Dienstagmorgen um 8.30 Uhr bis zu acht Teilnehmer in einem ziemlich luxuriösen Ambiente – und auch du sagst nicht Nein zum aromatisierten Grünen Tee, der im Preis von 150 Euro für zehn Stunden Yogaunterricht enthalten ist. Wie auch ein Leih-Bademantel, Handtücher, Shampoo, diverse Peelings und sogar Frottee-Pantoffeln – damit du direkt nach der Yogastunde frisch und munter ins Büro weiterziehen kannst und dich dabei nicht mit einer Sporttasche belasten musst.