Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte. Der Historiker und Abendblatt-Redakteur Dr. Matthias Schmoock hat sich auf eine Zeitreise begeben

Dass Wellingsbüttel mal ein ausgedehntes Gut war, kann man sich als Spaziergänger heute immer noch leicht vorstellen. Anders als in vielen anderen Hamburger Stadtteilen gelingt die Zeitreise – dank der Rettung architektonischer Zeitzeugen. Die markanten Sehenswürdigkeiten Wellingsbüttels, Herrenhaus und Torhaus, gehen auf die Adelsfamilie von Kurtzrock zurück. 1675 hatte Theobald von Kurtzrock das aus einem Gutshof und mehreren Bauernhöfen bestehende Wellingsbüttel für 7000 Reichstaler gekauft und ausgebaut.

Kurtzrock gründete eine Brauerei im Dorf, seinen Hauptwohnsitz hatte er in Bremen. 1806 verkaufte die Familie die gesamte Anlage an die dänische Krone, 1867 wurde sie zur preußischen Landgemeinde. Nach dem Ende der Befreiungskriege waren das Gut verschuldet und das kleine Dorf verarmt. Viele Bauern verkauften ihr Land an den Hamburger Kaufmann Hercules Roß, der die Gegend im Bereich Rabenhorst wiederaufforsten ließ. Nach Roß’ Tod ersteigerte der Kaufmann Johann Christian Jauch das Gut und vergrößerte es weiter. 1818 hatte seine Gesamtfläche 110 Hektar betragen, im Jahr 1900 waren es 250 Hektar. Zur Mitte des 19.Jahrhunderts hatte das Gut 18 Einwohner, das Dorf 286. Eine Schule hatte Wellingsbüttel schon seit 1788.

1892 kam eine neue Dynamik nach Wellingsbüttel, nachdem Otto J. Hübbe, wiederum ein Hamburger Kaufmann, alles aufgekauft hatte. Als 1912 die Alsterthal-Terrain-AG (ATAG) gegründet wurde, die die bauliche Erschließung des Alstertals in Angriff nahm, beteiligte sich auch Hübbe. Motor der ATAG, die immerhin bis 1947 bestand, war der Hamburger Makler Johann Vincent Wentzel, der neben Hübbe unter anderem auch den Poppenbüttler Großgrundbesitzer Eduard Henneberg mit ins Boot holte. Dabei wurden die sogenannten ATAG-Klauseln abgefasst, die noch heute das Erscheinungsbild Wellingsbüttels prägen. Im Kern besagten sie unter anderem: Die von der ATAG verkauften Grundstücke waren mindestens 1000 Quadratmeter groß, durften nicht geteilt und nur mit Einzelhäusern bebaut werden. Hübbe verkaufte große Teile des weitläufigen Guts, und erste Villen entstanden – zum Beispiel an der Wellingsbüttler Landstraße. 1914 waren in Wellingsbüttel die ersten zwölf Grundstücke verkauft. Das Projekt kam richtig in Schwung, nachdem die Vorortbahn von Ohlsdorf nach Poppenbüttel verlängert worden war und das mittlerweile rund 800 Einwohner starke Wellingsbüttel gleich zwei Stationen erhalten hatte.

Auch hier war Johann V. Wentzel die treibende Kraft gewesen. Von Anfang an hatte er seinen Mitstreitern klargemacht, wie wichtig der Bahnanschluss sein würde, und die dafür zuständige Alsterthalbahn AG war eine Tochtergesellschaft der ATAG. Ursprünglich sollte die Bahnstrecke schon früher fertig sein, aber der Erste Weltkrieg hatte den Abschluss der Arbeiten verzögert.

Als 1918 endlich die ersten Züge rollten, waren rund 2,5 Millionen für die Strecke verbaut worden. 1937/38 wurde Wellingsbüttel im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes Teil der Hansestadt, die Einwohnerzahl lag da schon bei 4000. Das 1750 erbaute Herrenhaus des Gutshofs war 1888 in den Besitz der Hamburger Bankierswitwe Behrens übergegangen und unter Federführung des Rathausarchitekten Martin Haller aufwendig umgestaltet worden, wobei es noch eine weitere Etage erhielt. Das Torhaus wurde wesentlich später mit tatkräftiger Hilfe von Bürgerverein (von 1921) und Alsterverein (von 1900) liebevoll restauriert. Witwe Behrens stiftete 1890 übrigens die erste Löschspritze für die neu gegründete freiwillige Feuerwehr.

Neben prächtigen Landsitzen und schönen Villen hatten sich auch immer mehr Geschäftsleute in Wellingsbüttel niedergelassen. Das Traditionsrestaurant Randel, heute gerade eben auf Poppenbüttler Gebiet, war schon 1840 als kleiner Ausschank eingerichtet worden, später avancierte es zu einem noblen Ausflugs- und Kaffeehaus mit angeschlossenem Hotelbetrieb.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Wellingsbüttel viele Flüchtlinge und ausgebombte Hamburger aufnehmen, wodurch die Zahl der Einwohner 1950 auf mehr als 10.400 anstieg. Heute ist Wellingsbüttel ein äußerst beliebter Wohnstadtteil, und die manchmal ziemlich rigorosen Investoren und Bauherren machen vor den ATAG-Klauseln schon lange nicht mehr halt.

Aus einem Gut und mehreren Bauernhöfen entstand ein Stadtteil mit markanten Sehenswürdigkeiten.