Warum Biber, Waschbären und Wildschweine Hamburg für sich entdecken – und was Menschen beachten sollten

Mit Fernglas, Digitalkamera und Papierformular begab sich Frederik Landwehr jüngst auf Biber-Safari. Der Mitarbeiter der Loki-Schmidt-Stiftung folgte in der Dämmerung den Spuren der Nager, auf deren Speiseplan rund 150 Pflanzenarten und die leckere Pappelrinde stehen. „Plötzlich“, erinnert er sich, „machte es ‚Klatsch‘ auf dem Wasser.“ Ein gut 30Kilogramm schweres Exemplar hatte mit seinem beschuppten Schwanz, der „Kelle“, auf die Wasseroberfläche der Dove-Elbe geschlagen. So konnte er das Tier orten, fotografieren und die Daten an das Artenkataster der Hansestadt weitergeben. Gut 15 Biber leben inzwischen im städtischen Großraum.

Dass Wildtiere in den menschlichen Siedlungsraum vordringen, ist längst ein Massenphänomen. Wo das Futter lockt und die natürlichen Feinde fehlen, lassen sich ganze Populationen in der Nähe der Menschen häuslich nieder. Dazu zählen Biber genauso wie Waschbären, Steinmarder und Wildkaninchen. Seit gut 20 Jahren beobachtet Hilmar Freiherr von Münchhausen, Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung, dass Graugänse, Füchse und Wildschweine verstärkt in der Stadt Hamburg auftauchen. Die Metropole mit ihren Wasserläufen und dem vielen Grün gilt im Reich der Fauna als Paradies mit üppigen Nahrungsquellen.

„Das Auftreten von Wildtieren in der Stadt ist immer auch Spiegelbild ihrer Situation im ländlich geprägten Raum“, sagt von Münchhausen. Sinkt dort die Qualität durch Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, Baumaßnahmen und hohen Jagddruck, dann werde das Leben in der Stadt leichter. Auch große Tiere, fügt der Experte hinzu, finden bereits am Rande der Metropole lebenswerte Biotope. „So gibt der Rothirsch im Duvenstedter Brook keine 35 Kilometer von der Reeperbahn auf St. Pauli entfernt seinen Einstand.“ Die Auflistung der Hamburger Arten liest sich wie das Register in „Brehms Tierleben“. Zwar verfügen Umweltbehörde und Naturschützer über keine genauen Daten zur Stärke der jeweiligen Populationen, weil vor allem die nachtaktiven Arten schwer zu erfassen sind. Aber bereits die Vielfalt spricht für sich: NABU-Experte Andreas Lampe verweist auf Wildschweine, Rot-, Dam- und Rehwild, auf Feldhasen, Kaninchen, Nutria, Fuchs, Baummarder, Iltisse, Fischotter, Waschbären und den Marderhund, die mitten in Hamburg leben.

Wildschweinvorkommen grenzen auch im Nordosten an die Siedlungsbereiche. Forstwirt Lampe sagt jedoch: „Ich habe noch nichts von Wildschweinen gehört, die in Hamburger Gärten einfallen.“ In Berlin dagegen sei das ein großes Problem. Einige Tierarten wie Kaninchen, Steinmarder und Waschbären sind so anpassungsfähig, dass sie auch im innerstädtischen Bereich überleben können.

Damit die Populationen nicht überhand nehmen, gehen in der Hansestadt seit den 1920er-Jahren regelmäßig Stadtjäger auf Pirsch. Derzeit sind 71 Stadtjäger im gesamten Stadtgebiet aktiv. Im Bedarfsfall setzen sie in Absprache mit den Jägermeistern Kugel- und Schrotwaffen ein. Wo es besonders gefährlich ist, verwenden sie Narkosegewehre. Danach werden die Tiere an einer anderen Stelle wieder frei gelassen. Allein für das Jagdjahr 2012/13 umfasst die Streckenstatistik 953 erlegte beziehungsweise tot aufgefundene Wildkaninchen, 36 Steinmarder, 43 Rehe, fünf Füchse und Dutzende von Vögeln wie Elstern und Möwen.

Grundsätzlich, sagt Hilmar Freiherr von Münchhausen, muss es keine Konflikte zwischen Mensch und Wildtier in der Stadt geben. „Voraussetzung ist, dass der Mensch das Wildtier in Ruhe lässt.“ Damit das noch besser in Hamburg funktioniert, plädiert der Experte dafür, dass die Stadt mehr für die Wildtiere tut. Das Anliegen der Wildtiere müsse endlich in die städtische Verkehrs- und Baupolitik integriert werden, fordert er. „Es ist eine Tragödie, dass im ohnehin verdichteten Innenstadtbereich zurzeit jede Menge alter Gärten dem Wohnungsbau geopfert werden.“