Nirgendwo sonst in Hamburg sind die sozialen Unterschiede so extrem – Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert jetzt Konsequenzen für das politische Handeln

Armer Süden, reicher Norden – und das mitten in Wandsbek. In keinem anderen Hamburger Stadtbezirk ist die soziale Spaltung so deutlich sichtbar auf einem Stadtplan zu erkennen wie in Wandsbek mit seinen 415.000 Einwohnern. In den südlichen Stadtteilen wie Jenfeld und Steilshoop leben deutlich mehr Hartz-IV-Empfänger als im reichen Norden wie Volksdorf und Sasel. „Nirgendwo sonst in Hamburg ist die Spreizung so stark und sind die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Senioren so extrem unterschiedlich ausgeprägt wie in den einzelnen Stadtteilen von Wandsbek“, sagte Joachim Speicher, Geschäftsführender Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Hamburg und Sprecher der Nationalen Armutskonferenz.

Daten des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein, der Bundesagentur für Arbeit und des Melderegisters aus dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) dokumentieren, wo genau die Armutsgrenze verläuft.

Während in den nördlichen acht Stadtteilen Wellingsbüttel, Sasel, Volksdorf, Poppenbüttel, Bergstedt, Lemsahl-Mellingstedt, Duvenstedt und Wohldorf-Ohlstedt mit dem südlichen „Ausreißer“ Marienthal gerade mal sieben Prozent der Hartz-IV-Empfänger (SGB II) im Bezirk leben, umfasst der Süden immerhin 93 Prozent. Dazu gehören Eilbek, Jenfeld, Wandsbek, Tonndorf, Rahlstedt, Farmsen-Berne, Bramfeld, Steilshoop sowie Hummelsbüttel im Nordwesten. Sozialexperte Speicher verweist in diesem Zusammenhang auf die großen Unterschiede zwischen Rahlstedt und Wohldorf-Ohlstedt: „In Rahlstedt leben mit 9241 die meisten Leistungsbezieher des Bezirks. In Wohldorf-Ohlstedt sind es dagegen nur 53.“

Mehr noch: Rund 22 Prozent beträgt der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an der Gesamtbevölkerung in Jenfeld und Steilshoop. Aber oben im Norden fällt die Quote auf gut ein Prozent (Lemsahl-Mellingstedt) und 1,2 Prozent (Wohldorf-Ohlstedt) zurück. Noch gravierender sind die Differenzen im Blick auf die soziale Lage von Kindern. Rund 46 Prozent der unter 15 Jahre alten Steilshooper beziehen SGB-II-Leistungen. Im wohlhabenden Wellingsbüttel und Sasel sind es lediglich 1,5 Prozent. Zudem ist die Arbeitslosenquote bei den mehr als 55-jährigen Hamburgern im armen Wandsbeker Süden größer als im reichen Norden. Joachim Speicher: „Während in anderen Bezirken die Verteilung der Leistungsempfänger über die Stadtteile trotz Abweichungen im Bezirk Altona einigermaßen gleichmäßig zu sehen ist, stellt der Bezirk Wandsbek mit diesem Nord-Süd-Gefälle eine Besonderheit dar.“

Wie aus der „Sozialraumbeschreibung Jenfeld 2013“ des Bezirksamtes hervorgeht, geht der soziale Riss sogar mitten durch einen Stadtteil. Danach wird der „Statusindex“ für die Bewohner in Jenfeld-Ost als „niedrig“ und „sehr niedrig“, in Jenfeld-West hingegen als „mittel“ bezeichnet. „Nicht nur innerhalb des Bezirks Wandsbek gibt es zwischen den Stadtteilen erhebliche Unterschiede, sondern auch nochmals innerhalb der sogenannten statistischen Gebiete“, sagt Julian Georg, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband dringt nun darauf, aus diesen Daten Konsequenzen für das politische Handeln zu ziehen. Die Bezirksämter müssten stärkere Kompetenzen als bisher bekommen. „Die Frage, wie auf die Themen Kinder- und Altersarmut in der Stadt zu reagieren ist, muss in den Bezirken entschieden werden“, fordert Joachim Speicher. Kürzungen durch die Landesebene ohne genaue Kenntnis dieser bezirklichen Datenlagen führten zu den „bekannten Verrücktheiten“, wie der drohenden Schließung des „Pottkieker“, einer Dulsberger Stadtteilküche, betont er. Ähnlich argumentiert auch der Linkenpolitiker Julian Georg: „Die soziale Infrastruktur vor Ort muss gestärkt werden.“ Im Moment aber tendiere die Politik dazu, auch bei den Trägern vor Ort zu sparen.

Das Bezirksamt Wandsbek hält unterdessen gerade die Unterscheidung von zwei Ebenen für sinnvoll. „Zum einen stehen den Bezirksämtern für viele Aufgaben Rahmenzuweisungen zur Verfügung. Über deren Einsatz entscheiden Bezirksversammlung und Ausschüsse“, sagte Bezirksamtssprecherin Lena Voß. Hier würden lokale Datenlagen „umfassend berücksichtigt und ein direktes und regional bedarfsgerechtes Hilfsangebot implementiert“. Zum anderen sei der Einfluss des Bezirksamtes bei solchen Projekten geringer, die über die Fachbehörden gesteuert würden.