Josef Katzer hält Darstellung der Lebensmittelindustrie für Etikettenschwindel

So viel Sorgfalt war selten: Behutsam lässt die Bäckerin gehackte Haselnüsse in die Schokoladenmasse rieseln, rührt die Schokofüllung mit einem Holzlöffel um und drückt zum Abschluss noch zwei frisch gebackene Waffelscheiben mit den Fingern zusammen. Millionen Deutsche dürften diesen Hanuta-Werbespot vom Hersteller Ferrero wahrgenommen haben. Geglaubt hat ihn vermutlich niemand, denn mit der Realität der industriellen Produktion der Waffelschnitten hat diese Darstellung nichts zu tun.

Wie andere große Nahrungsmittelkonzerne auch wirbt Ferrero ganz ungeniert mit alter Handwerkskunst, um die tatsächlichen Herstellungsbedingungen der Produkte zu verschleiern. Da wird Landliebe Sahnepudding noch zu Hause nach einem Rezept aus dem familieneigenen Kochbuch angerührt, bei Lindt bereitet ein Maître Chocolatier mit weißer Mütze die Schokolade zu, Pizzen von Dr. Oetker werden per Hand in den Ofen geschoben und ein Bauer stellt Almette Frischkäse direkt auf der Weide her.

Diese Irreführung ruft nun nicht nur die Verbraucherschützer, sondern erstmals auch die Handwerkskammer Hamburg auf den Plan. „Es ist in höchstem Maße unfair, eine Industrieproduktion mit Leistungen des Handwerks zu bewerben“, sagt Kammerpräsident Josef Katzer. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht werden sollen. Man könnte dies als Etikettenschwindel bezeichnen.“ Individuelle Meisterleistungen könnten nur Handwerker bieten, keine Maschinen.

„Handarbeit kommt dem Bedürfnis vieler Verbraucher nach Einmaligkeit, Frische und Reinheit entgegen“, sagt Silke Schwartau, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Genau diese Empfindungen will die Lebensmittelindustrie ansprechen, macht ihren Kunden damit aber etwas vor, denn handwerkliche Tätigkeiten haben mit der industriellen Herstellung des 21. Jahrhunderts nichts mehr gemein.“ Auch wenn die meisten Verbraucher Werbung ohnehin nicht glaubten, wirke diese doch im Unterbewusstsein.

Die Verbraucherschützer haben sich einmal den Spaß gemacht, auszurechnen, wie hoch die Produktion von Schokotafeln, Frischkäse oder Pizzen wäre, würden die Konzerne tatsächlich noch auf alte Handwerkskunst setzen. So käme beispielsweise bei Ferrero eine Person mit Arbeitsschritten wie Zutaten verrühren und Waffeln backen auf 130 Hanuta-Schnitten pro Tag.

Ähnlich sieht es bei Dr. Oetker aus, wo eine Person nach Berechnungen der Verbraucherschützer mit Teig kneten, Schinken schneiden, Pilze putzen und Salami vorbereiten auf eine Produktion von 17 Pizzen täglich käme. Tatsächlich stellt das Unternehmen im Pizza-Werk in Wittenburg aber 750.000 Pizzen täglich her. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie weist die Vorwürfe von Verbraucherzentrale und Handwerk als überzogen zurück. „Werbung ist keine sachliche, trockene Wiedergabe der Realität“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung, Christoph Minhoff. „Wir vertrauen dem mündigen, aufgeklärten Verbraucher, dass er in der Lage ist, die Darstellungen realistisch einzuschätzen.“