Eilends musste jetzt die nötige Infrastruktur geschaffen werden. In seiner Privatwohnung an der Elbchaussee probierte der Verleger selbst Schrifttypen aus und klebte Musterseiten zusammen, dort konferierten auch die damals rund 20 Redakteure und wurde das Konzept verfeinert. Die Verlagsräume in einem Hinterhaus der Alten Volksfürsorge an der Außenalster wurden ausgebaut, Satztechnik, Schreibmaschinen und Auslieferungsfahrzeuge gemietet. Die Mittel dafür lieferte die hochprofitable „Hör zu“. Für den Bau einer eigenen Druckerei reichte es jedoch nicht. Springer pachtete Druckkapazitäten bei Broschek & Co. an den Großen Bleichen (heute Hotel Renaissance) – gegen den Widerstand der Broschek-Erben, die dadurch ihre Pläne für eine Wiederbelebung des „Hamburger Fremdenblatts“ gefährdet sahen.

Am 13. Oktober sollte es so weit sein, doch Springer war abergläubisch und verschob den Starttermin für sein Abendblatt auf den 14. Oktober, einen Donnerstag. Acht Seiten war die Zeitung dünn: Dem Titelblatt folgten die Meinungsseite, eine Hamburgseite, eine komplette Seite Anzeigen, dann die Sportseite (zur Hälfte mit Anzeigen belegt), eine Seite Unterhaltung/Kunst/Wissen mit Fortsetzungsroman, eine Seite Volkswirtschaft/Weltwirtschaft und schließlich die Bilderseite (heute „Aus aller Welt“) mit neun Foto-Geschichten sowie einem Aufmacher unter dem Titel „Hitler, Himmler und die Sterne“, Auftakt der Tagebuchaufzeichnungen eines Astrologen, der die Nazi-Führung beraten hatte.

Während viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur (auch Max Brauer und Hans Albers waren dabei) mit Axel Springer ein rauschendes Premierenfest feierte, verspotteten Konkurrenten den Verleger als „Sternengucker“, der in „hoffnungsloser Position“ den Mut gefunden habe, hier in Hamburg eine neue Zeitung zu starten; die aber könne angesichts der gesättigten Zeitungslandschaft „nicht mehr erfolgreich operieren“.

Springer sollte sie Lügen strafen, auch und vor allem, indem er sich anfangs bis ins letzte Detail um die Dinge selbst kümmerte. Zwar war auch sein erster Chefredakteur Wilhelm Schulze ein gestandener Schreiber und Blattmacher, doch faktisch bestimmte Springer, was wie wo ins Blatt gelangte. Noch vor sieben Uhr in der Früh erschien er im Verlag, fischte in den Konferenzen kleine Zettel mit schonungsloser Kritik und neuen Ideen aus den Taschen seiner Maßanzüge.

Peter Tamm, einst Schifffahrtsredakteur, später Springer-Vorstandsvorsitzender, erinnert sich: „Seine Frage war immer wieder: ,Was interessiert die Leser daran wirklich?‘ Und: ,Haben wir das geschrieben?‘“ Für Springer selbst war es „die Zeit meiner eigentlichen Liebe zum Beruf“, wie er später einmal bekannte.

Übrigens: In England brachte eine Frau acht Tage nach ihrem ersten Sohn einen zweiten zur Welt. Eine solche Zeitspanne zwischen Zwillingsgeburten ist äußerst selten. – Die Kraftwagenproduktion in der britisch-amerikanischen Zone wurde im September um 2250 auf 7542 Fahrzeuge gesteigert. – Die US-Fluggesellschaft Pan American World Airways (PAA) hat den ersten Boeing-Stratosphärenkreuzer in Dienst gestellt. Er schafft die Strecke von New York nach London in zwölf statt in 14,5 Stunden.

Auch das erfuhren die Leser des ersten Abendblatts vor 65 Jahren.