Arglose Besucher verkaufen überzählige Tickets unter Wert, Betrüger bieten sie überteuert wieder an

Das Konzert des Lieblingskünstlers steht vor der Tür – und die Begleitung wird noch am selben Tag krank. Für Ebay ist es zu spät, und aus dem Freundeskreis hat so kurzfristig auch niemand Zeit. Die einzige Möglichkeit, das zweite Ticket zu Geld zu machen, ist der Verkauf direkt vor der Konzerthalle. Schon viele Meter vor dem Eingang halten junge Männer Schilder mit der Aufschrift „Suche Karten“ hoch. Gezahlt wird natürlich unter dem ursprünglichen Kaufpreis – aber das ist besser, als die Karte verfallen zu lassen. Außerdem wird sich der Käufer mit Sicherheit freuen, jetzt doch noch eine Karte bekommen zu haben – oder nicht? Fünf Minuten später steht der Käufer ungefähr 50 Meter näher am Eingang, nur das Schild in seiner Hand hat sich geändert: Jetzt ist „Verkaufe Tickets“ zu lesen. Hat der Konzertgänger es sich plötzlich anders überlegt?

Nein, er hat nur einen lukrativen Markt entdeckt: „Der mafiös organisierte Tickethandel ist schon seit mehreren Jahren gängige Praxis. Manchmal sind vor Ort 20 bis 30 Leute involviert“, sagt Anja Schwencke von der Karsten Jahnke Konzertdirektion. Was für arglose Beobachter sehr zufällig aussieht, hat System. Bei Konzerten im Stadtpark stehen die Händler beispielsweise bereits an der S-Bahn-Station Alte Wöhr und suchen Tickets. Besuchern, die noch keine Karte haben, wird suggeriert, dass das Konzert wahrscheinlich ausverkauft ist. Auf halber Strecke zwischen S-Bahn und Stadtpark sind wiederum Händler positioniert, die Karten zu hohen Preisen anbieten und mit den Händlern an der S-Bahn-Station zusammenarbeiten. Wer wirklich zum Konzert möchte, kauft hier sein Ticket – mit kräftigem Aufschlag. Bei Sportereignissen sieht es ähnlich aus: „Viele der Tickethändler sind unter der Woche bei Ebay oder nicht-autorisierten Zweitmarktplattformen wie Viagogo tätig und verkaufen am Wochenende in organisierten Gruppen vor den Arenen“, sagt Kai Voerste, Leiter des Ticketverkaufs beim HSV.

Auf rechtlichem Wege gibt es kaum Möglichkeiten, um gegen die Händler vorzugehen. „Eine Eintrittskarte ist ein Wertpapier, das in der Regel weitergeben werden kann – schließlich wird auch mit anderen Wertpapieren gehandelt“, sagt Oliver Knöfel von der Fakultät für Rechtswissenschaft in Hamburg. Einige Konzertveranstalter versuchen, über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Weiterverkauf möglichst zu unterbinden und ein sogenanntes Abtretungs- oder Übereignungsverbot auszusprechen. Dies kann etwa greifen, wenn an Personen verkauft wird, die Hausverbot haben oder der Originalpreis deutlich – in der Regel um mehr als zehn Prozent – übertroffen wird.

Auch der Weiterverkauf per Internetauktion kann ausgeschlossen werden. Es gelingt den Konzertveranstaltern im Streitfall allerdings nicht immer, sich mit diesen Verboten auch durchzusetzen, da für Kartenbesitzer keine unangemessene Benachteiligung entstehen darf. „Es muss beispielsweise möglich sein, im Krankheitsfall sein Ticket zu verkaufen“, sagt Knöfel.

Ein weiteres Mittel, um den organisierten Weiterverkauf einzudämmen, ist die Begrenzung von Tickets pro Käufer. Bei vielen Stars kommt es vor, dass professionelle Schwarzhändler direkt nach dem Beginn des Vorverkaufs große Kartenkontingente aufkaufen. Die Tickets sind meistens noch am selben Tag bei Ebay zu finden – deutlich teurer.