Die neue Ausgehmeile: Cafés, Restaurants und Imbisse machen die einstige Schmuddelstraße zu einem Multikultitreff im besten Sinne

St.Georg mausert sich immer mehr zu einer vergnügten Spaß- und Ausgehmeile. Man muss nur erst einmal den oberen Teil des Steindamms hinter sich bringen, der am Hauptbahnhof beginnt und neben dem Hansa-Theater – neue Spielzeit ab Ende Oktober – noch immer Spielhallen, Stundenhotels und Sex-Shops aufweist. Aber vom Pulverteich an glänzen das alte, wieder neu und schick eröffnete Savoy-Kino, das Neos Hotel in sehr coolem Design, das österreichisch eingefärbte Arcotel neben persischen Supermärkten, afghanischen Bäckereien und indischen Kleiderläden. Dazwischen tummelt sich eine bunte Mischung von Restaurants, Imbisslokalen und Cafés, in denen sich Studenten, Mitarbeiter aus den umliegenden Büros sowie Touristen und Anwohner begegnen und sichtlich wohlfühlen.

An der Lindenstraße 21, einer kleinen Seitenstraße vom Steindamm, hat sich Fräulein Fritz neu etabliert. Pamela Wessel bietet einen Mittagstisch der besonderen Art. Die frühere Mitarbeiterin aus dem „Cox“ an der Langen Reihe hat sich mit einer Kollegin selbstständig gemacht – leider noch ohne Abendkonzession. Es gibt mittags zwei Gerichte, mal Fisch, mal Fleisch, Pasta, Gemüse, in leckeren Kombinationen, frisch gekocht, hübsch serviert auf schönen alten Tellern und mit feinen alten Bestecken. Die Zutaten kommen aus der Region, Limonaden werden selbst gemacht. Und wenn alle ist, ist alle.

Schon länger da ist die Luncheria (Nr. 5) oben am Lindenplatz. Haus-gemachte Nudeln – ein Gedicht! Mit Hack- oder Gorgonzola-Soße, mit Scampi, vegetarisch mit Chili-Pesto oder Pfannengemüse, alles frisch, alles lecker.

Auf der anderen Straßenseite bei ebike kann man Elektro-Fahrräder ausprobieren. Es gibt eine große Auswahl und Hilfe bei Finanzierung und Leasing. Radeln ist gut, wenn man sich die Leckereien wieder abstrampeln will. Ein paar Häuser weiter hat sich nämlich ein afghanischer Bäcker niedergelassen. Er backt fabelhafte Fladenbrote, mit Sesam und Schwarzkümmel, mit Zwiebeln, Schafskäse und Kartoffeln. Noch warm, ein herrlicher Snack! Aber kalorienarm ist etwas anderes. Nebenan ist die PR-Mode-Boutique. Hier wird geändert und neu geschneidert mit Stoffen in großer Auswahl. Am Steindamm 103 bietet im „pho duc“ der einzige Vietnamese der Gegend die traditionelle Suppe an, genannt pho. Das soll möglicherweise die Abkürzung vom französischen Pot aux feu für Eintopf sein. Die Rinderbrühe wird angereichert mit Reisnudeln, Lauch, Minze, Koriander, Rind- oder Hühnerfleisch.

Vor den Augen der Gäste wird alles frisch zubereitet. Auch vietnamesische Landsleute sitzen hier, essen würzige Gerichte, leicht und lecker.

Etwas weiter in Richtung Hauptbahnhof findet sich die alte Alexander-Apotheke mit einem Bild griechischer Säulen im Fenster neben dem Supermarkt Persepolis, wo es Exotisches gibt wie Rosen- und Orangeblütenwasser, getrocknete und kandierte Früchte wie Ananas- und Kiwi-Scheiben oder Ingwer in vielen Varianten.

Für knallbunte Farbtupfer sorgt das indische Geschäft mit Abendkleidern in Wackelpudding-Grün, Feuerrot und Neonpink, aufwendig verziert mit goldenen Stickereien und Pailletten. Bollywood in St. Georg.

An der Ecke kann man einen Galao (Milchkaffee) im „Vasco da Gama“ schlürfen, der ohne Nata natürlich nur halb so gut schmeckt. Das portugiesische Törtchen besteht aus Blätterteig, gefüllt mit einer Creme aus Eigelb, Sahne und Zucker. Hüftgold!

Für herzhaftere Genüsse überquert man den Steindamm und ordert bei Yusuf Toprak im Batmann (Hausnummer 58) einen Geflügeldöner. Da wird die Mischung aus Fleisch, Kraut, Zwiebeln und allem, was dazugehört, in einen Fladen eingewickelt, den eine Frau ununterbrochen auf einer heißen Platte frisch backt.

Nebenan bei Köz Harran gibt es Spieße mit Hack (vom Lamm), mit Hähnchen- oder Putenfleisch, scharf oder nicht so scharf nach Wahl, Lammrippchen, Lammleber oder eine gemischte Grillplatte.

Auffallend ist die Helligkeit und Sauberkeit aller Lokale. Quartiersmanager Wolfgang Schüler weiß: „Es findet gerade ein Generationenwechsel statt. Die gut ausgebildeten Söhne übernehmen, erweitern, renovieren, kaufen moderne Holzkohle-Grills, bringen Licht in die Lokale und gutes Mobiliar auf die Straße. Sie sprechen ausgezeichnet Deutsch und wissen, wie man mit Gästen umgeht.“ So mischen sich inzwischen immer mehr Studenten, alteingessene Hamburger und Touristen unter die muslimischen Familien und Männer-Runden.

Muslimische Mädchen trifft man im Grand Café Back-Lava (Nr. 62), mit und ohne Kopftuch. Patron Selem Pakkiral hat ein Auge auf sie, „damit sie sich hier wohlfühlen und nicht angequatscht werden“. Neben den üblichen Männer-Tischen sitzen die jungen Frauen, umgeben von Einkaufstüten, kichern und reden, ohne die Familie im Schlepptau.

Die Speisenkarte ist riesig. Es gibt Suppen, Omelettes, Pizzen, gefüllte Teigtaschen, Salate und Eis. Und Torten! Torten von ungeahnter Höhe und Verzierung, Kunstwerke mit Fotodrucken, Sahnetupfern und buntestem Marzipan. Kein Wunder, dass auch grau gelockte Damen hier ihren Himmel gefunden haben.