Fahrräder, Fernseher, Röhrenradios: Im Sasel-Haus reparierten Freiwillige Geräte

Die Diagnose fällt knapp aus: „Leiterbahn kaputt“. Dirk Szameit beugt sich über das aufgeschraubte Diktiergerät. Daneben liegt eine Kassette, bespielt vor 33 Jahren. „Mit der habe ich getestet, ob es noch funktioniert. Leider kaputt“, sagt Diktiergerätbesitzer Olly Rohr, 78, aus Groß Borstel. Szameit greift nach seinem Werkzeug und beginnt, ein Teil auszutauschen. Nach einer Stunde Geschraube testen die Männer. „Eins, zwei, eins, zwei“, rauscht es aus dem lange vor der Jahrtausendwende produzierten Kästchen. Szameit lehnt sich zufrieden zurück.

Der 50-Jährige, der im Alltag in der EDV beim TÜV Nord arbeitet, hat Radio- und Fernsehtechniker gelernt, dann Elektrotechnik studiert: „Mich nervt, dass alles weggeschmissen wird. Das hier ist meine Welt.“ Das hier ist das erste Repair Café in Hamburg. Die Idee: Menschen, die etwas können, treffen sich mit Menschen, die etwas zum Reparieren haben. Kürzlich war Premiere im Kulturzentrum Sasel-Haus.

Organisiert hatten diesen Nachmittag Kristina Deselaers und ihre Freundin Christin Stöckmann. „In Deutschland werfen wir unfassbar viel weg. Auch Gegenstände, die nach einer einfachen Reparatur wieder ordentlich zu gebrauchen wären“, sagt Kristina Deselaers, die von der Idee der Amsterdamer Journalistin Martine Postma gelesen hatte und sofort begeistert war. „Ich habe ein grünes Gewissen und bin ein hartnäckiger Typ“, sagt sie. Eine gute Kombination, um ein Repair Café auf die Beine zu stellen. Die Frauen organisierten Räume, bekamen Hilfe von örtlichen Unternehmen, ein bisschen Geld von der Stadt, machten den Termin bekannt und suchten Experten. „Genügend Fachleute zu finden, davor hatte ich die größte Angst“, sagt Kristina Deselaers. Aber kaum liefen die ersten Meldungen in den lokalen Wochenblättern, da klingelte auch schon ihr Telefon. Zum ersten Helfertreffen kamen elf Männer und Frauen. Es konnte losgehen. Einer der 20 Freiwilligen ist Dirk Löding, Fachmann für Fahrräder. „Das ist ja ein Schätzchen“, sagt er mit Blick auf das sportliche Rad. 18 Jahre alt und angerostet, stand das Mountainbike der ersten Generation in den vergangenen Jahren im Keller. „Aber wenn ich ehrlich bin, hänge ich schon daran“, sagt sein Besitzer.

Löding sichtet die hakende Gangschaltung, probiert aus, schmiert Fett, verbessert, was möglich ist, schaut aber besorgt. „Das sieht nicht gut aus“, sagt er schließlich. Einer der Schalter am Lenkrad ist kaputt, leider bekommt man den heute nicht mehr. Was bleibt? Der Besitzer muss sich mit den kleinen Gängen arrangieren.

Im Arbeitsalltag ist Dirk Löding Landschaftsarchitekt. „Aber in den Semesterferien habe ich früher immer bei einem Fahrradhändler geschraubt“, erzählt er. Die Leidenschaft ist geblieben. Acht Räder besitzt er, alle selbst zusammengebaut. Für ihn ist das Repair Café die Gelegenheit, ein paar Stunden lang begeistert zu schrauben und damit auch noch Leute glücklich zu machen.

Auf der anderen Seite des Flures haben drei Damen ihre Nähmaschinen aufgestellt. Eine von ihnen ist Margot Thiede mit ihrer alten Singer, die sie irgendwann einmal geschenkt bekam. Bei der 82-Jährigen am Tisch sitzt Verena Laser aus Klein Borstel. An einem Ärmel ihrer Lieblingsjacke ist vorne das Bündchen abgescheuert. „Ich benutze die Jacke oft und hoffe ständig, dass niemand die Stelle sieht“, sagt sie. Für Margot Thiede aus Volksdorf kein Problem. Sie trennt auf, schlägt den Stoff neu ein, näht wieder zusammen. Jetzt ist der Ärmel ein ganz kleines bisschen kürzer, dafür sieht alles wie neu aus.

Dinge wertschätzen. Zeit investieren. Kontakte knüpfen. Wissen weitergeben. Geld sparen. Freude bereiten. Das alles ist Repair Café. In Sasel wurden wurden gegen Spenden rund 70 kaputte Gegenstände repariert. Gesehen wurden: eine Kaffeemaschine und ein Rasenkantenschneider, diverse Fahrräder, Holzstühle, ein Videorekorder, ein Staubsauger, ein Föhn, ein 50 Jahre altes Röhrenradio.

Das nächste Repair Café ist am 23.November im Sasel-Haus am Saseler Parkweg 3. Infos unter: www.repaircafe.de

Mich nervt, dass alles weggeschmissen wird. Das hier ist meine Welt.