Das Gymnastikangebot in der Seniorenwohnanlage Haus Hammer Landstraße ist das Pilotprojekt für die Bewegungsinitiative „Mach mit – bleib fit!“ von Hamburger Sportbund und Hamburger Abendblatt. Der Verein HT 16 kommt ins Haus. Von Sabine TescheVon Sabine Tesche

Sichtlich gut gelaunt sitzt Gerda Sax auf ihrem Stuhl und schwingt zwei kurze Stäbe seitlich hin und her. Zack, zack, wie bei einer Lokomotive. „Mit Musik geht doch alles viel besser“, sagt die 85-Jährige und bringt damit alle zum Lachen. Man merkt, die Gruppe, bestehend aus zehn älteren Frauen und einem Mann, ist sehr vertraut miteinander. Seit einem Jahr schon treffen sich die Senioren einmal in der Woche im Sportraum der Seniorenwohnanlage Haus Hammer Landstraße zur Sitzgymnastik.

Einige von ihnen sind mit dem Rollator gekommen. Eine Teilnehmerin, Erna Horn, ist fast blind. Die Trainerin der Gruppe, Karin Müller, 63, hat ein besonderes Auge auf die 85-Jährige und hilft ihr immer mal wieder bei den Übungen zur Koordination, dem Gleichgewicht und der Beweglichkeit. „Die Teilnehmer sollen hier mobiler werden, aber vor allem soll die Stunde Spaß machen“, sagt Trainerin Müller, die vom lokalen Sportverein HT 16 in die Wohnanlage gekommen ist. Für Erna Horn ist die Stunde ein Höhepunkt in der Woche. „Ich habe keine Angehörigen mehr und kaum Besuch. Ich bin so froh, dass ich hierher kommen kann, mal raus aus der Wohnung“, sagt die ehemalige Zuschneiderin. Bis zum Sportraum sind es für sie nur wenige Schritte. Die schafft sie alleine. Manchmal geht sie auch mit Gerda Sax, die hat sie bei der Gymnastik kennengelernt.

Das Haus Hammer Landstraße ist das Vorbildprojekt für die Bewegungsinitiative für Ältere vom Hamburger Sportbund (HSB) und Hamburger Abendblatt, die gerade in Hamburg gestartet wurde. Unter dem Motto: „Mach mit – bleib fit!“ gehen lokale Sportvereine in Wohnungsunternehmen und Senioreneinrichtungen und bieten dort vor Ort Bewegungskurse an. Bisher gibt es 24 solcher Kooperationsvereinbarungen in 14 Stadtteilen. Ziel der Initiative ist es, älteren Menschen, die alleine leben, aber nicht sehr mobil sind, ein Angebot in ihrem gewohnten Umfeld zu bieten, bei dem sie sich nicht nur bewegen, sondern auch andere Bewohner kennenlernen können.

„Ich mag die Sportstunde nicht mehr missen, ich kannte vorher kaum jemanden in der Wohnanlage, jetzt treffe ich die anderen auch schon mal bei Kaffee und Kuchen. Das macht das Wohnen hier viel attraktiver“, sagt Gerda Sax, die früher Sekretärin war. Wilma Schreck, die neben ihr sitzt und den Fuß hebt und senkt, nickt zustimmend. Die 84-Jährige war lange Mitglied im HT 16 und hat dort immer Sport gemacht. Jetzt kann sie kaum noch laufen.

Gestartet war das Pilotprojekt mit nur einer Gruppe, doch dafür war der Sportraum schnell zu klein. So gibt es inzwischen jeden Mittwoch zwei Kurse hintereinander. Einen für die etwas fitteren Senioren, die sowohl im Stehen als auch am Boden turnen und zudem Ausdauertraining machen. „Diese Gruppe lasse ich auch mal über Schrägen und instabilen Untergrund gehen, als Sturzprophylaxe“, sagt Karin Müller, die eine Ausbildung im Rehasport gemacht hat.

Für Claudia Saur, Leiterin der Einrichtung, ist das Projekt ein voller Erfolg. „Es ist unglaublich, wie offen die Teilnehmer inzwischen sind. Älteren Menschen fällt es schwer, neue Kontakte zu knüpfen, viele verkriechen sich in ihren Wohnungen und werden immer einsamer. Hier erleben sie Gemeinschaft“, sagt Saur. Ihre Einrichtung zahlt monatlich dafür 300 Euro an den Stadtteil-Verein HT 16, die Gruppenteilnehmer geben zwei Euro pro Stunde. Sie haben alle eine Zehnerkarte gekauft, die sie bei jedem Besuch von der Trainerin abzeichnen lassen. „Wir wollten den Kursus nicht kostenlos anbieten, weil er dann nicht wertgeschätzt wird“, sagt Claudia Saur. Wer allerdings einmal nicht kommen kann, muss auch nichts zahlen. Trotzdem fragt Trainerin Karin Müller jedes Mal am Anfang der Stunde nach, warum jemand fehlt. Sie kümmert sich um die älteren Menschen und interessiert sich für sie, genau wie die Teilnehmer es inzwischen untereinander auch tun. „Zu Beginn des Kurses wusste keiner etwas vom anderen, inzwischen achten die Teilnehmer schon aufeinander und klingeln auch mal an der Wohnungstür.“

Langfristig sollen auch Senioren aus dem Stadtteil Hamm an dem Bewegungsangebot an der Hammer Landstraße teilnehmen. Claudia Saur möchte Flyer in den Läden, Kirchengemeinden und Seniorentreffs verteilen. Sie findet es wichtig, dass so auch ältere Menschen aus der Umgebung neue Kontakte bekommen und sie zudem ihre Scheu vor der Senioren-Einrichtung der Wohnungsbaugenossenschaft Süderelbe verlieren.

Für den HT 16 und die anderen Stadtteil-Vereine, die Kooperationen mit Wohnungsunternehmen in Hamburg eingehen, erschließt sich durch die Bewegungsinitiative „Mach mit – bleib fit!“ vom HSB und Hamburger Abendblatt eine große Zielgruppe. „Bewegung ist unser Metier, wir haben einen großen Seniorensportbereich. Und mit diesem Projekt können wir als Stadtteilverein auch eine soziale Aufgabe erfüllen, indem wir einsame Menschen zusammenbringen“, sagt HT16-Geschäftsführer Detlef Schulze. Er kann sich vorstellen, dass Kinder aus dem Verein auch mal gemeinsame Aktionen mit den Senioren aus der Wohnanlage machen. Dann gibt es künftig hier nicht nur ein Treffen der alten Menschen untereinander – sondern eine Gemeinschaft von Jung und Alt.