Seit drei Generationen sorgen Eltern am Marion-Dönhoff-Gymnasium für die Verpflegung der Schüler

Die Ganztagsschule ist da – und mit ihr das Schulessen. In vielen Schulkantinen arbeiten Väter und Mütter ehrenamtlich. War das schon immer so? Und wie fing das alles mal mit dem Schulessen an? Spurensuche mit jemandem, die es wissen muss.

Komisch war das schon. Da stand ich mit 16 Jahren zusammen mit meinen Freunden vor der Klasse, und wer kommt vorbei? Meine Mutter, angetan mit Schürze, Einkaufskorb und der großen Kantinenkasse. Täglich kam sie in die Schule, mal kurz für die Abrechnung, mal für ein paar Stunden. Von Anfang an leitete sie die Kantine, auch noch als ihr jüngstes Kind längst die Schule verlassen hatte. Erst mit Ende 60 trat sie zurück. Ein schwerer Schritt. Es hat ihr großen Spaß gebracht.

Auch heute noch gibt es an meiner ehemaligen Schule Eltern, die in der Schulkantine stehen. Ich möchte wissen, wie die das machen, und wie deren Töchter das finden. Auf geht’s zur Spurensuche. Am besten zusammen mit meiner Mutter.

Freitag, viertel nach elf Uhr, Marion-Gräfin-Dönhoff-Gymnasium in Blankenese. Damals, als die Schule noch Gymnasium Willhöden hieß, lag die Kantine im Souterrain, hinten am Ende des langen Schulflures. Küche und Essensraum waren nicht besonders groß. Heute findet man die Kantine am Eingang. Heller ist es, aber nicht wirklich größer, scheint mir. Gerade beginnt die Brötchenpause. Vier Mütter stehen hinter dem Tresen. Eine von ihnen kennt meine Mutter noch aus der eigenen Schulzeit. Auch sie trägt eine Schürze. Aber eine viel schickere. Mit Aufdruck des Schulnamens.

Wir sind verabredet mit Kerstin Benecke und ihrer Tochter Helen, 17Jahre alt, 3. Semester und Mitglied im Schulsprecherteam. Frau Benecke ist so was Ähnliches wie die Nach-, Nach-, Nachfolgerin meiner Mutter und leitet den Kantinenverein mit 80 Müttern und Vätern. Anders als damals sind die Kantineneltern nicht mehr für das Mittagessen zuständig, sondern nur noch für die Brötchenpausen davor.

Halb zwölf, die Kinder drängeln herein. Der Fotograf will noch fotografieren, eine Mutter schließt die Tür. Draußen toben ein paar Jungs herum. Kerstin Benecke stürmt hinaus und sorgt für Ruhe. Wie findet Helen das? Na ja, so was sei ihr schon peinlich, wenn „Mama sich aufregt“. Aber grundsätzlich findet sie es prima, dass ihre Mutter sich engagiert.

Gegründet wurde die Kantine Mitte der 70er-Jahre. Keiner weiß mehr, wann genau, in der Schulchronik ist nichts vermerkt. Erstaunlich, denn das war eine kleine Revolution. Essen in der Schule und nicht an Mamas Mittagstisch! Und das ausgerechnet in den Elbvororten. Wie kam das überhaupt?

Meine Mutter erinnert sich: Da gab es auf einmal Nachmittagsunterricht, dazwischen Freistunden, auch für die Lehrer. Aufenthaltsraum? Kaffeemaschine? Fehlanzeige! Also taten sich einige Mütter zusammen. Einfach so. Dass die Schulbehörde sich einschaltete, daran hat meine Mutter keine Erinnerung mehr. Sehr genau aber weiß sie noch, dass damals längst nicht alle Lehrer begeistert waren. Ebenso wenig die damalige Direktorin, eine alte Dame kurz vor der Rente: Eltern und Essen in der Schule? Unerhört!

In einem dunklen Kellerraum hinter dem Aula-Eingang ging es los. Erst mal nur Brötchen, Tee und Kaffee, später kam ein warmes Mittagessen dazu. Aus der Alu-Schale und dem Gefrierschrank: Nasi-Goreng, Hühnerfrikassee, nix Spektakuläres. Pizzabrötchen waren die Renner. Ebenso wie Eis, Milchschnitten und Franzbrötchen.

Irgendwann Ende der 70er-Jahre gab es einen Schulumbau, die Kantine bekam eine Küche und einen Speiseraum. Um die 30 bis 40 Mütter kamen nun täglich von 10 bis 15 Uhr in die Schule. Sie schmierten Brötchen, machten Würstchen warm und schoben das Essen in den Ofen. Was es gab, bestimmte meine Mutter. Sie hatte die Leitung, handelte Sonderkonditionen bei Langnese raus und brütete zu Hause stundenlang über langen Zahlenlisten und Team-Einsatzplänen.

Längst nicht immer lief alles problemlos. Ich erinnere mich an den Kampf gegen die Capri-Sonnen-Tüten. Meine Mutter war der Überzeugung, dass sie ein derartiges Angebot brauche, um den Preis des Essens niedrig zu halten. Viele Schüler und Lehrer aber sahen in den Alutüten eine Ökosauerei. Zeitweise musste die Kantine sogar schließen. Irgendwann beruhigte sich alles wieder. Und heute? Vor allem eines hat sich grundlegend geändert: Niemals würde Kerstin Benecke allein über das Angebot entscheiden. Stattdessen gibt es ein abgestimmtes Budget für den Vormittag, und dann geht jedes Team die Zutaten einkaufen. Bei den einen gibt Obst, Quark und Müslis, andere haben auch Eis und Kuchen im Angebot.

Im Dönhoff-Gymnasium ist mittlerweile Mittagszeit. Der professionelle Caterer ist erst seit Ende der Ferien dabei, und da gibt es Nachholbedarf. Der Kantinenverein und die Schulleitung sind längst im Gespräch: Eine Salatbar könne dazu kommen, vieles ist denkbar. Auch meine Mutter hat noch ein paar Ideen. Und so bleiben wir noch ein wenig sitzen und reden: über damals, heute und morgen.

Früher entschied eine Mutter darüber, was es zu essen gab. Heute plant ein Team das Angebot in der Schulkantine.