Umwelt- und Erlebnisprojekt vermittelt handwerkliche und ökologische Kompetenzen

So könnte der Garten von Pippi Langstrumpf aussehen. Eine selbst gezimmerte „Mädchenhütte“, ein Bauwagen zum Chillen, Feuerstelle, kleiner Teich und begehbares Kaninchen-Gehege, eine überdachte Werkbank, Gemüse- und Blumenbeete – und ringsherum hohe Hecken. Statt der Villa Kunterbunt steht am Ende des Gartens ein ausrangierter Eisenbahnwaggon. Und nicht Pippi, Thomas und Annika toben hier rum, sondern Imani, Alva und Nelly.

Die MädchenOase ist ein – wenn auch lärmgeplagtes – Idyll direkt neben den Gleisen der S-Bahn an der Eifflerstraße in der Sternschanze. Die Anlaufstelle für Mädchen zwischen sechs und 18 Jahren existiert seit 1999 und ist deutschlandweit einmalig. „Wir sind kein normaler Mädchen-Treff, sondern ein Umwelt- und Erlebnisprojekt mit handwerklicher und ökologischer Ausrichtung“, sagt Leiterin Wiebke Kahl. Die Mädchen sollen Interesse daran entwickeln, sich draußen aufzuhalten, Zugang zu Gemüse- und Blumenanbau bekommen und lernen, mit Hammer und Säge umzugehen.

Imani, Alva und Nelly gehören zu einer Gruppe von Zweit-, Dritt- und Viertklässlerinnen der Grundschule Arnkielstraße, die im Rahmen der Nachmittagsbetreuung den Kurs „MädchenOase“ gewählt haben. Anne Fischer, die in der Einrichtung als Honorarkraft angestellt ist, hat sie abgeholt. Imani und Nelly waren schon häufiger hier und holen sofort die Inliner raus. Für die anderen Mädchen ist es das erste Mal – doch auch sie stürzen sich ins Vergnügen. Schweta schnappt sich eine Gießkanne, holt Wasser aus dem Teich und gießt die Tomaten im Gewächshaus. Jennifer schaukelt, Vanessa guckt sich die „Mädchenhütte“ an und Alva zieht los, um mit den Kaninchen zu spielen. Unterwegs rupft sie noch ein bisschen Löwenzahn; Wiebke Kahl hat ihr gezeigt, wie er aussieht.

In der MädchenOase gibt es jeden Nachmittag (bis aufs Wochenende) feste Angebote: Bastel-, Tanz- und Kochkurse, Computerführerschein, Internetnutzung, Hausaufgabenhilfe, Beratung, Bewegungsspiele und Ausflüge.

Wiebke Kahl ist die einzige fest angestellte Kraft in der MädchenOase. Finanziert wird ihre Stelle vom Jugendamt Altona. Unterstützt wird die 38-jährige Sozialpädagogin von acht Honorarkräften, die ebenfalls vom Bezirk finanziert werden, darunter eine Medienpädagogin, eine Holzbildhauerin und eine Erziehungswissenschaftlerin. Für Ausflüge, Schwimm- oder Tanzkurse ist die Einrichtung (www.maedchen oase.de) hingegen auf Spenden angewiesen. Träger der MädchenOase ist der Verein Dolle Deerns, der seit 1983 in Hamburg Mädchen und junge Frauen unterstützt – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe oder Behinderungen. Zu den sechs Einrichtungen des Vereins gehören Mädchen-Treffs in Lohbrügge, Kirchdorf-Süd und Neu-Allermöhe, aber auch eine Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt und eine Berufsberatung.

Gespräche über Verhütung und Liebeskummer, Beistand bei familiären Problemen – das übernimmt Wiebke Kahl weitgehend selber. Für manche Mädchen ist sie die einzige feste Bezugsperson. Doch ihre Schützlinge kämen nicht nur aus bildungsfernen Familien, sagt die Sozialpädagogin. „Auch die klassische Mittelschicht ist vertreten.“ Mädchen kämen aus dem Schanzenviertel, Altona-Nord und Altona-Altstadt – in den Ferien, wenn es ein Extra-Programm gibt, auch aus anderen Teilen der Stadt. „Manchmal kommt es zu Kommunikationsproblemen und Neid“, sagt Wiebke Kahl. „Aber ich finde, das Umgehen miteinander ist für alle Mädchen eine Bereicherung.“

Jetzt tauchen auch Teenagerinnen in der MädchenOase auf: die Schwestern Saskia, 15, und Jessica, 14. Sie kommen seit sechs Jahren jeden Tag. Sie ziehen sich mit einer Freundin in die Küchenecke zurück, die neben dem Büro im Bahnwaggon untergebracht ist, und fangen an, türkische Pizza zuzubereiten. Dabei hören sie Musik und quatschen. Die MädchenOase kennen sie aus ihrer Grundschulzeit. „Es macht Spaß, hier zu sein“, sagen sie. „Wir kochen oder sind am Computer.“ Wie die meisten Besucherinnen haben sie aber auch bei der Gestaltung von Waggon, Hütten und Außengelände mitgewirkt und Blumen gepflanzt, die „Mädchenhütte“ bemalt und Kaninchenhütten gezimmert.

Nach eineinhalb Stunden Spaß im Freien müssen Nelly, Schweta und ihre Mitschülerinnen die MädchenOase für heute verlassen. „Schön, dass wir nächste Woche wieder hier sind“, sagt Alva mit leuchtenden Augen. Vielleicht kommt sie aber auch zwischendurch noch einmal vorbei.

Das Umgehen miteinander ist für alle Mädchen eine Bereicherung.