Wohnungen sollen saniert und verkauft werden – Bewohner sprechen von Schikane

Joachim D. Matthies ist ein freundlicher Kaufmann alter Schule. Seit 42 Jahren betreibt er ein kleines Briefmarken- und Münzgeschäft in den Colonnaden. Seit einigen Monaten ist der sonst so besonnene Hanseat in Wallung. Anlass der Verbitterung sind die Zustände im Umfeld seiner Mietwohnung am Schwanenwik. Gemeinsam mit Ehefrau Heidi lebt er dort seit 38 Jahren mit Alsterblick. Mit der Ruhe ist es längst vorbei.

Auch andere Mieter der drei anno 1895 errichteten Jugendstilhäuser Schwanenwik 32 bis 34 auf der Uhlenhorst sind empört. Seit eineinhalb Jahren, so der Vorwurf, sei das Wohnen unzumutbar. Die Betroffenen sprechen von umfassenden Belästigungen und permanenten Versuchen, sie zum Auszug zu bewegen. Mehrere Gerichtsprozesse liefen und laufen. Fast immer obsiegten bisher die Mietparteien. Die Fronten sind verhärtet; sogar ein Privatdetektiv kam zum Einsatz. Drei Gärten wurden komplett gerodet, alte Bäume gefällt.

Im Fokus des Mieter-Zorns stehen die Hauseigentümer, die bei einer Zwangsversteigerung im Dezember 2009 für 16,6 Millionen Euro zum Zuge kamen. Ihr Ziel: Umwandlung der 37 Mietwohnungen in luxuriöse Eigentumsapartments, Einrichtung einer Tiefgarage und Aufstockung mit einem Penthouse-Geschoss. Einer der Hausbesitzer ist Benjamin Otto. Der 38-jährige Bankkaufmann entstammt der gleichnamigen Hamburger Versandhausfamilie und ist seit elf Monaten im väterlichen Unternehmen aktiv.

Das Haus mit der Nummer 32 ist mittlerweile kernsaniert und „entmietet“, wie es heißt. Nachbarn wissen, dass teilweise Abfindungen in sechsstelliger Höhe gezahlt wurden; in einem Fall ist von gut 300.000 Euro die Rede. Die leeren Wohnungen erzielten Preise bis 2,1 Millionen Euro und sind verkauft. 13 Parteien in den Häusern 33 und 34 jedoch wollen wohnen bleiben. Die Mietverträge sind bis zu 50 Jahre alt und basieren zum Teil auf günstigen Grundmieten. „Das Wohnen ist zur Plage geworden“, sagt Joachim Matthies. Der Kaufmann spricht von „Niedertracht“ und „subtiler Angsteinflößung“. Die Familie Otto habe sich mit soliden Geschäften und Wohltaten für Hamburg einen guten Namen erwirtschaftet, „andererseits macht einer von ihnen Geschäfte ohne Rücksicht auf Verluste“. Diesen Vorwurf will Benjamin Otto nicht auf sich sitzen lassen: „Wir haben bei diesem Projekt alles Erdenkliche getan, um den Interessen der Mieter gerecht zu werden. Dennoch ist es zu Enttäuschungen aufseiten der Mieter wie der Investoren gekommen, was ich sehr bedauere.”

Seit 15 Monaten sind die beiden Häuser eingerüstet, ohne dass saniert wird. Vor vielen Fenstern hängen dicke Planen. Mehrere Wohnungen stehen leer; eine von ihnen wird als Tischlerei benutzt. Bewohner beschweren sich über Lärm zu sehr früher oder später Stunde, über Staub, Dreck und beißende Gerüche.

„Das eine oder andere ist nicht glücklich gelaufen“, entgegnet Marius Marschall von Bieberstein im Büro der Firma Evoreal an der Semperstraße. „Insgesamt jedoch führen wir Gutes im Schilde und suchen eine Zusammenarbeit mit den Mietern.“ Man wolle wirtschaftlich erfolgreich sein, „aber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und keinesfalls um jeden Preis“. Seine Partner und er hätten nicht erwartet, dass die Baumaßnahmen so langwierig und emotional abliefen.

Evoreal-Geschäftsführer von Bieberstein bezeichnet die Gartenrodung als Fehler, für die eine Entschädigung gezahlt werde. „Wenn man über Jahre alle Mietrechtsverfahren verliert, sollte man langsam merken, dass man im Unrecht ist“, meint Mieter Peter Hallmann, ein Unternehmensberater. Evoreal-Geschäftsführer Marius Marschall von Bieberstein sieht die Lage anders: „Unser Prinzip ist es, juristisch und moralisch korrekt vorzugehen.“

Das eine oder andere ist nicht glücklich gelaufen.