Planetariumsdirektor Thomas W. Kraupe ist Astrophysiker und Entertainer und hat noch einiges vor

Sie klettern nachts auf den Berg. Dann legen sich die vier Jungs wie ein großes Kreuz auf den Boden. Kopfhörer auf, Musik von Richard Strauss, Anton Bruckner oder Gustav Mahler strömt in die Ohren. Und dann schauen die Freunde in den Himmel. Jeder kennt seinen Sektor sehr genau. Sie warten, bis eine Sternschnuppe kommt. Wenn die Schwärme der Perseiden, Leoniden oder Geminiden unterwegs sind, macht es richtig Arbeit, das alles akribisch zu notieren.

Das ist Thomas W. Kraupe egal. Denn mehr als hier oben geht eigentlich nicht – die Sterne tanzen zur seelenerschütternden Musik, ein kosmisches Gesamtkunstwerk, das ihn und seine drei Freunde schon damals in der Jugend faszinierte. „Wenn man das erlebt, ist es Himmelstheater, wie eine Oper.“ Etwas, das die vielen Seelen in seiner Brust vereint und seinen späteren Berufsweg prägt.

Ein Gespräch mit Kraupe, dem Direktor des Hamburger Planetariums, ist wie eine Reise durchs Weltall. Ständig gibt es Faszinierendes am Wegrand, ständig kreuzen neue Ideen. Man mag gar nicht entscheiden, welche Abzweigung man nehmen soll. Kraupe hat aus diesem Interesse für alles seinen Beruf gemacht. Astrophysiker oder Theaterdirektor, Dirigent oder Regisseur, Entertainer oder Philosoph – er ist immer beides. Im Planetarium im Wasserturm am Stadtpark, als Intendant eines 100.000-Sterne-Theaters.

Der Sohn eines Einkäufers und Prokuristen für unterschiedliche Unternehmen wurde 1956 im oberfränkischen Bamberg geboren, die Eltern aus dem Sudetenland zogen bald in den Süden von München um. Theater und Konzerte gehören zu seiner Jugend, genau wie Stapel von Büchern aus der Stadtbibliothek. Naturforscher wie Jacques Cousteau, Heinz Sielmann oder Heinz Haber werden seine Idole. Er verschlingt auch Science-Fiction und Erich von Däniken.

Durch Schulfreunde lernt der Schüler die bayerische Volkssternwarte in München kennen und gehört bald zu dem Kreis ihrer Fans. Das Universum bringt eine andere Dimension in den Schulalltag und eröffnet neue Freiheiten beim nächtlichen Sternegucken. Die erste Mondlandung erlebt er 1969 nachts vor dem Fernseher. 1972 bekommt er ein eigenes Fernrohr. Raumforschung ist Aufbruch. Und ein erster Baustein für seinen späteren Job.

So wie die Musik. Bald sitzt er in jedem Konzert, besucht die Künstler in den Garderoben, macht Polaroids mit ihnen, die er sich signieren lässt. Diskutiert mit Leonard Bernstein. Ausgehend von Stanley Kubricks Zukunftssaga „2001 – Odyssee im Weltraum“ entdeckt er neue Dimensionen – „Ligeti, Chatschaturjan, Richard Strauss wurde eine meiner Ikonen, Sibelius, Bruckner, Mahler. Charles Ives. Penderecki.“ Musik ist bis heute eine seiner ganz großen Leidenschaften. Ein zweiter Baustein.

Ein Deutschlehrer weckt seine Liebe zur Literatur, zu Texten. Gedichte passen zu Bergnächten mit Musik, Kraupe versucht sich selbst als Poet. „Hab mal eines über Pluto geschrieben.“ Er lacht. „So ein Zwergplaneten-Gedicht“, der bayerische Dialekt macht das Wort doppelt komisch. Er ist kein Dichter geworden. Aber er schreibt an den Texten für die Sternenshows im Planetarium mit. Noch ein Baustein.

1975 macht er Abitur und darf noch im selben Jahr an seiner Schule den Astronomiekursus leiten. Führungen in der Sternwarte hatte er schon gemacht, und in der Schule zudem schauspielerisches Talent offenbart. Bald choreografiert er selber kleine Shows für das Planetarium der Volkssternwarte.

Aus dem Lehramtsstudium wird ein Diplomstudiengang Physik, Nebenfach Astronomie. Kraupe hat beste Kontakte zum Max-Planck-Institut, aber Röntgenastronomie und endlose Messreihen sind nicht seins. Er will kosmische Vorgänge lieber erklären. Und geht 1983 ans Planetarium in Stuttgart. Wandert 1992 weiter zum Planetarium München. Arbeitet von 1996 an im neuen Planetarium New York im Naturhistorischen Museum an der Vorbereitung der Neueröffnung mit.

Im Jahr 2000 erklärt er Kultursenatorin Christina Weiss, zu deren Behörde das Planetarium gehört, selbstbewusst: „Wenn’s so weitergehen soll wie bisher, bin ich nicht der Richtige.“ Er will Neues machen wie in München und New York. Kein Programm für Astronomie-Fans. Sondern vor allem für die anderen, die es noch zu begeistern gilt. Kürzlich hatte eine neue Show Premiere: „Im Nachtflug durch die Galaxis.“ „Ein Multimedia-‚Orchester‘ wie bei uns, mit Lasershow, mit einer 3-D-Lautsprecheranlage – das gibt es so sonst nirgendwo“, sagt Kraupe stolz. Thomas W. Kraupe, der mit seiner Freundin in Winterhude lebt, hat einen weit gefächerten Spielplan und leitet mit an die 300.000 Besuchern pro Jahr das bestbesuchte Planetarium Deutschlands. „Hier kann man die Sinne schärfen – um sensibler zu sein für die Dinge da draußen. Wir alle bestehen letztlich aus Sternenstaub, wir sind Kinder der Sterne – das setzt doch etwas frei. Man glaubt daran, dass man jungen Menschen die Augen öffnen kann für die Schönheit.“ Die eigene Begeisterung weitergeben – das kann Kraupe gut.

Wir alle bestehen letztlich aus Sternenstaub, wir sind Kinder der Sterne – das setzt doch etwas frei.