Bei der WM kämpfte Markus Deibler um einen Spitzenplatz. Auf St. Pauli ist er Geschäftsmann

Der Chef, braun gebrannt, weißes T-Shirt, knielange Jogginghose, Flip Flops, sitzt auf der Holzbank vor seinem Laden, erzählt die Firmengeschichte, redet über seine Unternehmensphilosophie und die Perspektiven des Geschäfts. Pioniergeist klingt in seiner Stimme mit wie die Begeisterung darüber, dass das Konzept offenbar angenommen wird. Im vierten Monat ist Luicella’s Ice Cream Eisdiele an der Detlev-Bremer-Straße 46 auf St.Pauli nun täglich geöffnet, und die Umsatzzahlen stimmen Markus Deibler, 23, optimistisch: „Es lief trotz des Dauerregens im Mai besser als erwartet. Unsere Kalkulation ist bislang aufgegangen.“

Markus Deibler konnte sich deshalb zuletzt auf seine eigentliche Profession, das Schwimmen, konzentrieren. Mit seinem Bruder Steffen, 25, nahm er an den Weltmeisterschaften in Barcelona teil. Für seine Hauptdistanz, die 200 Meter Lagen, hatte er sich einen Platz im Endlauf der besten acht zum Ziel gesetzt. Im Halbfinale schied er aus. Nach seiner Rückkehr aus Spanien. stand er hinter dem Tresen seiner Eisdiele und bediente die Kundschaft. Die eine oder andere Kugel Gefrorenes hat er dabei selbst verzehrt. In der Vorbereitung auf die WM musste er auf den Genuss verzichten. Richtige Ernährung ist ein Standbein seines Erfolgs. Und wenn er täglich auch bis zu 4500 Kalorien zu sich nimmt, Süßes sollte es in den harten Trainingsphasen nur in ganz geringen Maßen sein.

161 Gewerbetreibende sind bei der Handelskammer Hamburg unter dem Branchenschwergewicht „Eissalon“ gemeldet. 5927 Eisdielen gab es im Jahr 2011 in Deutschland. Die Zahl ist rückläufig, vor zehn Jahren waren es fast 6900. Der Umsatz an industriell hergestelltem Eis, etwa 80 Prozent des Gesamtumsatzes von 2,43 Milliarden Euro, liegt stabil bei 1,94 Milliarden Euro im Jahr. Pro Kopf werden in Deutschland 7,7 Liter Eis verzehrt.

In Luicella’s Eisdiele, das ist das Rezept, wird Eis selbst hergestellt – für den Kunden sichtbar in alten italienischen Eismaschinen auf der Empore über der Verkaufsfläche. Die Zutaten, versichert Deibler, seien nur die besten. Das hat seinen Preis. „Billig bringt’s nicht. Auf Dauer schon gar nicht. Wenn ich etwas mache, dann richtig und mit allen Konsequenzen“, sagt er. Leistungssportler denken so oder ähnlich, besonders Einzelsportler. „Ich wollte nie einen Mannschaftssport betreiben, weil ich nicht abhängig von der Einstellung anderer sein wollte.“

Der Grundstoff Milch kommt vom Milchhof Reitbrook im Südosten Hamburgs, wo die Kühe noch auf der Weide grasen. Haselnuss- oder Erdbeermark wird aus Italien geliefert, andere Ingredienzien werden morgens auf dem Markt gekauft. Keine Zusatzstoffe, keine Geschmacksverstärker lautet das Credo, das auch für Softgetränke gilt.

Die Idee der Eisdiele hatte Luisa Mentele, 26, die Freundin Steffen Deiblers. Die studierte Medien- und Informationswissenschaftlerin hat ein Faible für Eis und dessen Herstellung, auf einem Auslandssemester im italienischen Bologna vertiefte sie ihr Interesse. Mit Markus Deibler entwickelte sie nach ihrer Rückkehr nach Hamburg den Businessplan. Der jüngere Deibler, der Ingenieurswesen studiert, fand schnell Gefallen an der Vorstellung. Geschäfte sind ohnehin seine Sache. Eine Lernplattform im Internet namens lernzettel.com hat er bereits laufen und einen Onlinevertrieb für Ohrentropfen gegen Gehörgangsentzündungen.

Die Eisdiele verlangte dagegen größeres Startkapital und die Gründung einer GmbH. Der Umbau des ehemaligen Blumenladens, die Anschaffung des Mobiliars, von Geräten und Kühlschränken kostete insgesamt rund 45.000 Euro, Geld, das sich Deibler und Mentele zum Teil privat liehen. Die monatlichen Fixkosten für zwei Angestellte, vier Aushilfen, Miete, Versicherungen und Gebühren betragen geschätzte 6000 Euro im Monat. Genaue Zahlen verraten die Inhaber nicht. 6000 Kugeln Eis, die erste kostet 1,20 Euro, die zweite ein Euro, müssten allein dafür verkauft werden. Markus Deibler arbeitet kostenfrei; später, nach der Schwimmkarriere, hofft er, dass dieses Geschäft auch für ihn etwas abwirft.

Nachdem Anfang dieses Jahres die drei wichtigsten Sponsoren der Deibler-Brüder absprangen, drohte das Projekt Olympia Rio 2016 aus finanziellen Gründen zu scheitern. Dabei waren die Deiblers Deutschlands erfolgreichste Schwimmer bei Olympia in London. Hilfe kommt jetzt aus ihrer Geburtsstadt. Die Kreissparkasse Biberach unterstützt die Brüder für drei Jahre. Mit Head fand sich zudem ein neuer Ausrüster für die Schwimmer. „Die Alternative wäre gewesen, mit dem Laden meine Schwimmkarriere zu finanzieren. Das kam für mich nicht in Betracht. Eher hätte ich mit dem Schwimmen aufgehört“, sagt Markus Deibler.