Gerkan, Marg und Partner planen Arenen für die Fußball-WM in Brasilien und Russland

Die Bedingungen sind für Bauarbeiten mehr als widrig: In Manaus herrschen Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei fast 100 Prozent. Immer wieder gibt es Platzregen, mit 2272 Millimeter pro Jahr fällt rund dreimal so viel Niederschlag wie in Hamburg. „Schlammbaustellen sind eine Pest“, sagt Volkwin Marg. Der Architekt plant mit seiner Othmarscher Firma von Gerkan, Marg und Partner (gmp) mitten im brasilianischen Dschungel ein Fußballstadion für die Weltmeisterschaft. Am 14.Juni 2014 soll in der Arena da Amazônia um 21 Uhr der erste Anstoß erfolgen. „Wir werden rechtzeitig fertig“, sagt der 77-Jährige. Alles andere sei Panikmache, gestreut vom Fußball-Weltverband.

Wenn es um den Bau von Fußballovalen geht, sind Marg und sein Team gefragt. Für das deutsche „Sommermärchen“ bei der WM 2006 entwarfen sie die Arenen in Köln, Frankfurt und Berlin. „Das war der eigentliche Startschuss für uns im Stadionbau“, sagt Marg, der zuvor bei einem Architektenwettbewerb für das Olympiagelände in München 1972 immerhin den zweiten Platz bei einem Sportstättenbau belegt hatte. 2010 bei der Fußball-WM in Südafrika kamen die Pläne für die Arenen in Durban, Port Elizabeth und Kapstadt von der Hamburger Firma. Bei der Europameisterschaft 2012 spielten die besten Kicker des Kontinents in Kiew und Warschau in Anlagen, die von gmp entworfen wurden.

Und auch im nächsten Jahr könnten Stars wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Bastian Schweinsteiger in vom Berliner gmp-Büro geplanten Arenen auflaufen – wenn sich die Kicker mit ihren Nationalteams für das Turnier qualifizieren und die Auslosung sie nach Manaus oder Brasilia führt. Denn in der Hauptstadt steht das zweite Stadion aus der Kreativabteilung des Unternehmens mit Sitz an der Elbchaussee. Margs Angestellte sind für den Gesamtentwurf verantwortlich: „Wir bauten eine Hülle um ein Stadion, das zum Weltkulturerbe gehörte und innen ergänzt werden sollte.“ Im gut 70.000 Zuschauer fassenden Stadion wird Regenwasser aufgefangen und zur Rasenbewässerung und als Toilettenspülung genutzt, Fotovoltaikmodule auf dem Dach wirken als Solarkraftwerk.

Im Gegensatz zu Manaus ist das Objekt schon fertig. Am 15.Juni wurde das Confederations-Cup-Spiel der Gastgeber-Elf gegen Japan angepfiffen. Dennoch geht in dem südamerikanischen Land die Angst vor „weißen Elefanten“ um – nutzlosen Prestigebauten, die nach der WM nicht mehr gefüllt werden könnten. In Brasilia spielt das beste Team in der dritten Liga, im Amazonasgebiet hat kein Verein im Schnitt mehr als 1000 Zuschauer. Immerhin befindet sich dort neben dem Fußballfeld und den Tribünen für 45.000 Fans auch ein Fitnessstudio, ein Kongresszentrum und ein Sambódromo, indem bereits Feste geplant sind. Marg räumt ein: „Hinsichtlich der Nachnutzung ist Manaus eine Herausforderung.“

Rund um den Globus seien die Arenen zu Prestigeobjekten geworden, mit denen die Städte ihre Strahlkraft steigern wollten, sagt Marg – und sieht das durchaus kritisch. Historisch gesehen hätten die Sportstätten einen sozialpolitischen Zweck gehabt und seien für die Allgemeinheit nutzbar gewesen, heute seien es Orte für bezahlten Fußball und Entertainment. „Ob der Bau von Stadien wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht, ist so nebensächlich wie früher beim Bau neuer Kathedralen.“ Generell sei ein Stadion nie rentabel zu betreiben, die öffentliche Hand müsse viel Geld für die Infrastruktur ausgeben. Gewinne würden privatisiert, Verluste sozialisiert. Daran hätten sich auch die Proteste während des Confed-Cups entzündet. „Die Wut richtet sich neben der allgemeinen Korruption auch gegen die Privatisierung von öffentlichem Eigentum, wie zum Beispiel beim Maracana-Stadion in Rio.“ Der Träger des Bundesverdienstkreuzes legt viel Wert auf diese gesellschaftliche Einordnung des Stadionbaus, gibt aber auch unumwunden zu: „Ich bin Teil des Systems. Für unser internationales Renommee ist der Stadienbau populär und wichtig.“

Auch in Russland hat er bereits den Zuschlag erhalten. In fünf Jahren findet dort die übernächste WM statt. „Wir planen die Stadien in Nischni Nowgorod, Samara, Wolgograd, Krasnodar und Moskau“, sagt Marg. Die ersten vier Arenen müssen neu gebaut werden und sollen nach der Fertigstellung jeweils rund 45.000 Zuschauer fassen. Das Olympiastadion Luschniki in Moskau wird umgebaut. Einen Standort in Moskau baut gmp gerade auf. „Wir wollen planvorlageberechtigt sein. Dafür müssen wir vor Ort mit eigenem Büro vertreten sein.“ Marg hofft später auf Folgeaufträge wie zum Beispiel für Krankenhäuser.

Die Standorte in Russland und Brasilien sind auf Dauer angelegt. In Rio de Janeiro beschäftigt gmp derzeit rund ein Dutzend seiner insgesamt mehr als 500 Mitarbeiter. Sie sind neben den Fußballstadien auch für zwei weitere Prestigeobjekte zuständig. Im August 2016 werden in der Strandstadt bei den Olympischen Spielen die besten Tennisspieler und Schwimmer ihre Wettkämpfe in Sportstätten nach gmp-Plänen absolvieren.