Silke Griebel, Brigitte Kasper und Marie-Louise Schaernack sind das Team von Secondella

Barbarella, Evarella, Secondella. Nein, das sind nicht die Namen der drei Damen oben im Bild. Das sind Silke Griebel, Brigitte Kasper und Marie-Louise Schaernack. Das Trio steckt hinter dem Edel-Secondhand Secondella im ABC-Viertel, der seinen Namen aber dem Kinohit „Barbarella“ mit Jane Fonda zu verdanken hat. Mittlerweile gibt es den Laden seit mehr als 40 Jahren. „Der Großteil der Hamburger Gesellschaft hat hier schon mal was abgegeben oder gekauft“, sagt Schaernack, 71. Trotz des langen Bestehens ist man offen für Veränderung. Deshalb hat der Laden nun auch eine neue Internetpräsenz inklusive Online-Shop. „Wir wollen neben unseren bestehenden Kunden auch jüngere Generationen ansprechen.“ So will Secondella zum Beispiel auch vermehrt mit Bloggerinnen zusammenarbeiten und das Angebot an Männerkleidung ausbauen.

All das war 1970, als Model Schaernack die Idee von einem edlen Secondhand in Hamburg hatte, noch kein Thema. „Damals war alles im Aufbruch“, sagt sie. Die Designer brachten mit ihren Prêt-à-porter-Linien nun auch erschwingliche Designermode heraus. Die Frauen wurden modebewusster und experimentierfreudiger. Auch Schaernacks Privatleben änderte sich tiefgreifend. Die damals 29-Jährige ließ sich gerade von ihrem ersten Mann scheiden. Außerdem änderte sich die Branche. Schaernack erinnert sich an diese durchsichtigen Blusen von Yves Saint Laurent, die damals en vogue waren. Die Models, die sie präsentierten, blieben oft barbusig und klebten zu intime Stellen nur ab. „Diese Entwicklung war nicht ich“, sagt Schaernack, die sich als bürgerlich bezeichnet. „Ich wollte nicht noch durchsichtiger als durchsichtig werden.“ Also beendete sie ihre Karriere als Model, die sie weit hinaus in die Welt gebracht hatte. Von dort, aus Metropolen wie New York und London, brachte sie eine Idee mit: ein Secondhand-Geschäft für Designermode.

Zunächst hieß der Laden, der im September 1970 an der Kunhardtstraße eröffnete, noch The Second Hand Shop, doch schon nach drei Jahren bekam er einen neuen Namen: Secondella. Schaernack war damals im Gespräch als Hauptdarstellerin für den Film „Evarella“, der die deutsche Version des Kultfilms „Barbarella“ werden sollte. Das Projekt zerschlug sich jedoch. Doch Secondella blieb – zumindest der Name, denn das Gebäude, in dem das Geschäft war, wurde abgerissen. Der Umzug aus dem Eppendorfer Gartenidyll an die ABC-Straße kam für Schaernack einer „Vertreibung aus dem Paradies“ gleich, weshalb ein angebissener Apfel zum Logo des Ladens wurde.

Einige Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektionen später trat Silke Griebel auf den Plan. Sie wuchs in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein auf und sehnte sich nach der Großstadt. Über eine Bekannte hörte sie von Schaernack und deren Geschäft in Hamburg. „Silke war ein Mädchen, das, wenn es sich etwas in den Kopf gesetzt hat, sehr klar anfing, dieses Ziel zu erreichen“, sagt Schaernack. „Also schrieb sie mir einen Brief, in dem sie sich vorstellte.“ – „Ich will raus hier!“, prustet Griebel, 56, dazwischen und fasst so den Inhalt ihres Briefes zusammen. Der Plan ging auf. Griebel zog nach Hamburg und wohnte die erste Zeit sogar mit in Schaernacks Wohnung. Aus den beiden Frauen wurden enge Freundinnen. So eng, dass Schaernack Griebel ihr „Baby“ anvertraute und sie 1982 zur Geschäftsführerin von Secondella machte. Schaernack zog sich Stück für Stück aus dem alltäglichen Geschäft zurück, eröffnete einen Blumenladen, bereiste mit ihrem zweiten Mann Asien und lebte zeitweise in Amerika. Dort sah sie die erste in den Staaten gezeigte Retrospektive des russischen Malers Kasimir Malewitsch. Die Farben und Formen des Suprematismus begeisterten sie. Der angebissene Apfel, der bisher für Secondella stand, war inzwischen auch zum großen Markenzeichen einer amerikanischen Computerfirma geworden. Schaernack hatte das Fallobst zwar früher als Logo, es sich aber nicht schützen lassen. „Sollten wir darauf warten, bis es deshalb ein Problem gibt?“, fragt Schaernack. 1992 zog der Laden – wieder abrissbedingt – erneut um, an die Hohe Bleichen.

Eine gute Gelegenheit, um auch die äußere Erscheinung zu überarbeiten. Der durch Malewitsch inspirierte und bis heute für den Laden stehende Schriftzug mit den Buchstaben in schwarz, rot, gelb und blau entstand. Vier Jahre später betrat Brigitte Kasper den Keller des Ladens, der gleichzeitig das Warenlager war. Mit 16 Jahren war sie nach Hamburg gekommen und arbeitete hier lange als Modedesignerin für den japanischen Designer Yuca. Als der starb, löste sich die Firma auf und Kasper fing als Kostümbildnerin beim Film an. Die alleinerziehende Mutter musste schließlich Geld verdienen. Über eine Bekannte hörte sie, dass Secondella Unterstützung suchte. Also stand sie bald – etwas unsicher – auf der Treppe zum Lagerkeller des Geschäfts. „Ich sah Silke zwischen den Kleiderständern stehen und sie strahlte mich an“, sagt Kasper, 47. „Da dachte ich: Das wird hier klappen!“

Es klappte so gut, dass Kasper und Griebel 2003 Partnerinnen von Schaernack wurden, die so allmählich ihre Nachfolge regelte. Doch auch wenn die 71-Jährige sich rößtenteils zurückgezogen hat, ist sie noch nicht ganz von der Secondella-Bildfläche verschwunden. Die drei Frauen tauschen sich regelmäßig aus, diskutieren über Mode, lachen, schwelgen in Erinnerungen und schmieden Zukunftspläne.

Ich wollte nicht noch durchsichtiger als durchsichtig werden.