Uli Waller bringt das Musical ins St.Pauli Theater – mit Liedern von Hans Albers bis Udo Lindenberg

Dass es die S-Bahn werden musste, ist klar: Die Linie S1 hält unweit des St.Pauli Theaters, Station Reeperbahn. Sie hält aber auch in Blankenese, am Hauptbahnhof, in Barmbek, in Ohlsdorf und am Flughafen. Kein Wunder also, dass Regisseur Ulrich Waller und Autor Markus Busch fündig wurden, als sie für die höchst unterschiedlichen Stationen und in sorgsam getrennten Milieus ihres neuen Hamburg-Musicals „Linie S1“ eine Verbindung suchten. Für ihre fragile Liebesgeschichte zwischen einem spanischen Einwanderer und einer Reederstochter. Und für die 25 Songs – von Hans Albers bis „You’ll never walk alone“, von Boy bis Blumfeld, Ina Müller, Kettcar, Stefan Gwildis, Udo Lindenberg und Samy Deluxe. Am 8.September ist im St.Pauli Theater Premiere.

Derzeit laufen die Proben in der Theaterfabrik am Wiesendamm. Neun Schauspieler – unter ihnen Anneke Schwabe, Luk Pfaff, Johanna Christine Gehlen und George Meyer-Goll, sechs Tänzer, sechs Musiker, an die 70 Rollen und zweieinhalb Monate auf dem Spielplan des Hauses – „das ist für uns schon ein großes Risiko, da muss alles sitzen“, erklärt Ulrich Waller zwischen den Proben. Und bevor man ihm die Anspannung zu deutlich anmerkt, rekapituliert er rasch die Erfolgszahlen des von ihm inszenierten Udo-Lindenberg-Musicals „Hinterm Horizont“ in Berlin: mehr als 1000 Vorstellungen, mehr als eine Million Besucher seit 2011.

Dass er das mal schaffen würde, war dem Theatermacher nicht an der Wiege gesungen worden. Der Sohn einer Medizinerfamilie, Jahrgang 1956, wuchs in Tübingen auf, sah während seiner Schulzeit Tournee-Aufführungen in Tübingen und Peter Palitzschs Inszenierungen in Stuttgart. Und kam durch seinen Deutschlehrer am Gymnasium in einer Theater-AG selbst mit der Bühne in Berührung.

„Der inszenierte zwischen Tischen und Stühlen und noch im Mief der Mathestunde davor. Wir probten, mit Reclamheftchen in den Händen, Jean Anouilh oder Max Frisch. Der Höhepunkt war, mit 15 oder 16, ‚Jeanne d’Arc‘ von Anouilh, ein total reaktionäres Stück, wo ich einen König spielte mit einem Jojo, in weißen Strumpfhosen – danach wusste ich: Schauspieler ist nicht meins.“ Die Faszination des Theaters aber ließ ihn nicht mehr los.

Musiktheater macht Waller seit 1993. Damals hatte Tukur ein Angebot der „Stadtmusikatzen“ und keine Idee. Daraus wurde „Blaubarts Orchester“ in Schmidts Tivoli, ein Bühnen-Hit, der über eine Million Mark einspielte. Es folgten in den Kammerspielen „Einmal Casanova sein“ und „Die Jungs mit dem Tüdelband“. Ab 2003 arbeitet Waller mit Udo Lindenberg an dessen Shows. Erfolge sind auch „Cabaret“ (2005) und „Anatevka“ (2011) am St. Pauli Theater mit Gustav-Peter Wöhler.

Und nun „Linie S1“. Den Anstoß dafür gab das Hamburger Abendblatt, als Marketingchefin Vivian Hecker, mit der Waller und Collien 2009 das Hansa-Theater wiederbelebt hatten, fragte: „Warum macht ihr nicht mal was mit Hamburg?“ Gesagt. Getan. Viele S-Bahn-Fahrten später stand die Geschichte, die entfernt an den Berliner Erfolg „Linie 1“ erinnert. Waller sieht eher die Unterschiede: „Es gibt keine andere Stadt in Deutschland, in der so viele Musiker aufgewachsen sind, gelebt haben, berühmt geworden sind und ihre Stadt auch authentisch besungen haben. Wir haben das nicht neu komponieren lassen, sondern haben ihre wunderbaren Songs hineingepackt.“

Nur in einem ist der Musical-Macher unbeugsam: Die Frage, ob denn auch „Hamburg, meine Perle“, der HSV-Song von Lotto King Karl, vorkommt, nimmt er fast als persönlichen Affront: „Entschuldige mal, wir sind auf St.Pauli! Wir heißen St.Pauli Theater! Wir sind St.-Pauli-Fans!“ HSV-Fans dürfen trotzdem hinein: Die „Perle“ kommt auch vor, mit einem Augenzwinkern, verpackt in einen Dialog.

„Linie S1“: ab 8.September im St. Pauli Theater, Karten in den Abendblatt-Ticket-Shops und unter Telefon 040/30309898