Wieland Kerschner hat viele Jahre zwischen Büchern und Schriften verbracht: als Ein-Euro-Kraft in der Staatsbibliothek. Anfang vergangenen Jahres fand er im Antiquariat der Rathauspassage seinen Traumjob. In dem Sozialprojekt unter dem Rathausmarkt, in dem bislang rund 600 Langzeitarbeitslose in verschiedenen Programmen beschäftigt wurden, verkauft er Bücher, Schallplatten und CDs. Doch das Jobcenter hat die Fördermaßnahmen für die Arbeitsgelegenheiten aufgehoben: Alle Ein-Euro-Jobber mussten aufhören.

Künftig darf die gemeinnützige Passage GmbH Langzeitarbeitslose in der Rathauspassage nur noch nach Paragraf 16e beschäftigen. Sie müssen als Grundvoraussetzung mindestens 24Monate arbeitslos sein, mehrfach erfolglos Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs oder Bewerbungstrainings durchlaufen haben und über zwei weitere „Vermittlungshemmnisse“ verfügen wie gesundheitliche Einschränkungen, Migrationshintergrund oder Sucht. Wer in der Rathauspassage arbeiten möchte, muss mindestens 50 Jahre alt sein, schwerbehindert, und ein zwölfwöchiges Praktikum absolviert haben.

Gudrun Stefaniak ist verärgert. Die Passage-Geschäftsführerin wirft dem Jobcenter Willkür vor. Weil es in Hamburg genügend Langzeitarbeitslose gibt, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, konnte sie im ersten Halbjahr 2013 ohne Probleme zehn Paragraf-16e-Stellen besetzen. Durch das neuerdings erforderliche Kriterium der Schwerbehinderung sieht sie die Rathauspassage in ihrer Existenz bedroht – zumal es selbst das Jobcenter vor Schwierigkeiten zu stellen scheint. „Mir werden momentan noch nicht einmal Menschen mit Behinderung vermittelt. Um weiterhin sechsmal in der Woche von 9 bis 20 Uhr zu öffnen, fehlt mir schlicht das Personal“, sagt sie. Sie will versuchen, im Jobcenter Norderstedt geeignete Mitarbeiter zu finden.