Nezafete Beytuli aus Öjendorf beendet nach 130 Jahren die Männerdomäne bei den AKN-Lokführern

Wohl die meisten kennen aus Büchern und dem Puppentheater die Figur Lukas, den Lokomotivführer. Aber schon mal von Lucy, der Lokomotivführerin, oder einer anderen Frau gehört, die den Traumberuf aller kleinen und großen Jungs gewählt hat? Wohl kaum, denn der Job an der Spitze eines Zuges ist nach Jahrzehnten der Emanzipation der Frauen immer noch die Ausnahme. Auch bei der AKN, die nach stolzen 130 Jahren Unternehmensgeschichte die erste Triebfahrzeugführerin – so die offizielle Bezeichnung – eingestellt hat.

Die 37 Jahre alte Nezafete Beytuli aus Öjendorf hat die bis dahin lupenreine Männerdomäne des Kaltenkirchener Eisenbahnunternehmens beendet und ist seit vier Monaten im Lokführerstand in der Region nördlich von Hamburg unterwegs.

„Ich habe Geschichte geschrieben“, sagt die Hamburgerin selbstbewusst, die im Schichtdienst mit 70 männlichen Kollegen bei der AKN dafür sorgt, dass die Fahrgäste sicher und pünktlich ans Ziel kommen.

Dass die AKN erst jetzt eine Frau mit Lokführerschein beschäftigt, erklärt Unternehmenssprecherin Christiane Lage mit der geringen Fluktuation in der Berufsgruppe. Wer bei der AKN Triebwagen fahren darf, bleibt dabei. Nur wenige Neulinge – ob Männer oder Frauen – hatten bislang die Chance, den Job zu bekommen. Außerdem hat Christiane Lage festgestellt, dass Männer sich eher für große Maschinen und Technik begeistern können als Frauen.

In einer Zeitung hatte Nezafete Beytuli über die Geschichte einer Kosmetikerin gelesen, die zur Lokführerin umgeschult wurde. „Da habe ich mir gesagt: Das ist doch auch was für dich“, erzählt die 37-Jährige, die Zahnarzthelferin gelernt hat und später bei einem Logistikunternehmen arbeitete.

„Das war nichts für mich“, erzählt die Mutter von zwei Kindern. „Ich war eingesperrt in einer großen Halle.“ Dann lieber raus mit der Eisenbahn ins platte holsteinische Land, auch wenn sie im Schichtdienst sehr früh aufstehen muss oder erst mitten in der Nacht ins Bett kommt.

Dass das Arbeitsamt die Umschulung bewilligt hat, ist auch auf einen Wandel auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Heute sind Lokführer begehrte Fachleute. Schon lange hat das Bild vom rundlichen Lukas mit dem freundlichen, rußverschmierten Gesicht nichts mehr mit dem Beruf zu tun.

Nezafete Beytuli kann nicht nur Triebwagen fahren. Sie ist auch für die großen Loks ausgebildet und hat das Rangieren gelernt. „Das kriegst du hin“, hatte ihr die Dozentin während der Umschulung gesagt, wenn die 37-Jährige wieder beim Büffeln der „V-Technik“ verzweifelte. Dahinter verbirgt sich die Liste aller Bauteile, aus denen ein Triebwagen zusammengesetzt ist.

Die Lokführerin ist froh, dass sie im Kreis der Kollegen sofort akzeptiert wurde, ohne dabei mit chauvinistischer Nachsicht behandelt zu werden. „Ich habe keine Extrawurst bekommen“, sagt Nezafete Beytuli.