Katharina von Ehren ist Deutschlands einzige Baummaklerin. Sie sucht nach passenden Gehölzen

Während die meisten Spaziergänger am Altonaer Balkon auf die Elbe und den Hafen schauen, ist Katharina von Ehrens Blick an einer alten Rotbuche hängen geblieben. Fasziniert blickt sie auf den mächtigen Baum, dessen Blattwerk sich auf Kopfhöhe wie ein Fächer ausbreitet. Von Ehren trägt Seidenschal, eine feine Bluse, das blonde Haar ordentlich gescheitelt. Nur die Schuhe passen nicht ganz in das Bild. Die sind robust, fast klobig und flach. Müssen sie auch sein. An ihrem Arbeitsplatz würden hohe Absätze nicht lange halten.

Ihr Arbeitsplatz – das sind Baumschulen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt. Dort sucht die 46-Jährige als Baummaklerin im Auftrag von Landschaftsarchitekten und Privatleuten nach passenden Gehölzen für bestimmte Grundstücke. Private Gärten etwa, Parkanlagen und Firmengelände. Vor knapp zwei Jahren hat sie sich mit der International Tree Broker GmbH selbstständig gemacht.

Ihre Startbedingungen hätten besser nicht sein können: Als Tochter einer der renommiertesten Baumschulfamilien Deutschlands ist ihr Name in der Branche bekannt. Nach einem Gartenbau-Studium und 14 Jahren als Geschäftsführerin im elterlichen Betrieb war sie mit exzellenten Kontakten und viel Erfahrung gut gerüstet für ihr Vorhaben. Ein Wagnis war es dennoch: Der Beruf des Tree Brokers ist in Deutschland noch kaum bekannt. Auch von Ehren hatte das Geschäftskonzept erst bei einem Auslandsaufenthalt in den USA kennengelernt. Dort gibt es den Beruf schon länger, etwa 20 bis 30 Baummakler sind auf dem amerikanischen Markt vertreten. In Deutschland ist von Ehren bislang die Einzige.

Der Firmensitz in Altona-Altstadt ist für ihre Bedürfnisse ideal. Um hochwertige, seltene und charaktervolle Bäume zu finden, muss sie oft nicht weit fahren. Viele große Baumschulgebiete befinden sich im Norden, etwa im Ammerland und in Pinneberg. Das ist kein Zufall: Das Klima in Seenähe – selten besonders heiß oder kalt – ist ideal für das Baumwachstum. Die Böden enthalten wenig Lehm, dafür viel Torf und Sand. Das macht sie lockerer als anderswo. Als Baummaklerin nimmt Katharina von Ehren, die sich die Geschäftsführung mit Maike Rohde teilt, ihren Kunden besonders die zeitintensiven Arbeiten ab. Fährt von Baumschule zu Baumschule, prüft die Qualität der Bäume und organisiert den Transport.

Wer sich für die Dienste eines Baummaklers entscheidet, für den spielt Zeit ohnehin eine große Rolle. Zeit nämlich, die man nicht warten möchte, bis aus einem fingerdicken Stämmchen ein stattlicher Apfelbaum geworden ist, der Schatten spendet und Früchte trägt. „Da hat sich das Bewusstsein geändert“, sagt von Ehren. „Wer will heute schon 15 Jahre warten, bis die Hecke so hoch gewachsen ist, dass der Nachbar nicht mehr drübergucken kann?“ Sichtschutz-Pflanzen sind ein Klassiker auf der Wunschliste ihrer Kunden. Und es gibt weitere Trends: „Derzeit sind Obstbäume besonders beliebt. Eigentlich alles, was essbare Früchte trägt.“ Auch mediterrane Pflanzen werden gewünscht. Weil das Klima hierzulande aber für manch südliches Gewächs zu kühl ist, muss sie ab und an improvisieren. Und manchmal reicht es ja auch, wenn die Pflanzen zumindest so aussehen, als hätten sie gerade noch in Andalusien gestanden. In solchen Fällen kann von Ehren beispielsweise Thuja (Lebensbäume) besorgen, die so schmal geschnitten sind, dass sie wie Zypressen wirken.

Möglich ist fast alles – zumindest, wenn es der Kontostand erlaubt. Bei Bäumen ist es schließlich wie beim Wein. Je älter, desto teurer. Ein Klassiker, wie ein 40 Jahre alter Birnenbaum, liegt etwa bei 19.500Euro. Die teuersten Bäume, die von Ehren in die Gärten ihrer Kunden liefert, kosten in etwa so viel wie zwei Neuwagen. „Eine 60 Jahre alte in Form geschnittene Blutbuche kostet etwa 38.000Euro.“

Wenn von Ehren durch die Straßen Hamburgs zieht, dann bleiben ihre Blicke an allem hängen, was grün ist: bepflanzte Verkehrsinseln, Hecken, Beete und natürlich Bäume. Ihr Lieblingsbaum ist die Hainbuche, wegen des knorrigen Stamms und des gelben Herbstkleides. Grundsätzlich begeistert sie sich aber für alles, was einen Stamm, Äste und Blätter hat. Ihre Erklärung: „Bäume sind einfach ein sinnvolles Produkt“, sagt sie. „Sie produzieren Sauerstoff, spenden Schatten und ernähren uns mit Früchten.“

Aber da gibt es noch eine andere Ebene: Für von Ehren sind Bäume stumme Zeugen einer Zeit, die wir nicht erlebt haben. Manchmal, wenn sie vor einem alten, knorrigen Baum steht, fragt sie sich: „Was würde mir der Baum erzählen, wenn er sprechen könnte“ Für viele Menschen seien Bäume deshalb mehr als nur Gewächse. Sie sind Trostspender, stehen mit ihrem großen Wurzelwerk für Halt, Beständigkeit und Tradition. So wie die Rotbuche auf dem Altonaer Balkon.

Bäume sind einfach ein sinnvolles Produkt. Sie produzieren Sauerstoff, spenden Schatten und ernähren uns mit Früchten.