Mobil, gebildet, aktiv – die Stadt bietet ideale Lebens- und Arbeitsbedingungen, zeigt eine Studie

Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren ziehen verstärkt aus dem ganzen Bundesgebiet in die Hansestadt. Die Männer aus ihrer Altersgruppe meiden dagegen die Großstädte und bleiben lieber in ihrem Heimatort. Das geht aus neuen Daten des Statistikamtes Nord, die dem Abendblatt vorliegen, und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervor. Die Wissenschaftler haben bundesweit die „Wanderungen von Frauen und Männern“ untersucht und dabei geschlechts- und altersspezifische Differenzen festgestellt.

Beispiel: Registrierten die Statistiker im Jahr 2012 rund 7600 Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, die nach Hamburg gezogen sind, so waren es im gleichen Zeitraum immerhin 9900 Frauen. Jedes Jahr schlagen im Schnitt etwa 2500 junge Frauen mehr als Männer gleichen Alters zwischen Elbe und Alster ihre Zelte auf. 2009 standen in der genannten Altersgruppe 10.150 zugezogenen Frauen 7480 Männern gegenüber. 2011 waren es 9958 Frauen, aber nur 7681 Männer.

Die Rostockerin Juliane Schröder, 24, zum Beispiel lebt seit vier Jahren in der Hansestadt. Hier absolvierte sie eine Ausbildung zur Speditions- und Logistikkauffrau, was in ihrer Heimatstadt nicht so gut möglich gewesen wäre. Und jetzt studiert sie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). „Hamburg“, sagt die Neu-Barmbekerin, „gefällt mir sehr gut.“ Sie genießt es, über die vielen Brücken zu laufen und in die Kanäle zu schauen. Vor zwei Jahren zog Jannike Meyer aus dem Rheinland an die Elbe. Die 27-jährige Mitarbeiterin einer Kreativagentur sagt: „Hamburg ist die Stadt, in der ich alt werden will.“ Die 18- bis 25-jährigen Frauen folgen gern dem Lockruf von Schanze, HafenCity und langen Partynächten. Das Hanseatisch-Urbane halten sie für „hip und schick“.

Tatsächlich bietet die Hansestadt jungen, mobilen und gebildeten Frauen ideale Lebens- und Arbeitsbedingungen. „Hamburg“, sagt Trendforscher Professor Peter Wippermann, „überzeugt sie mit einem hohen Freizeitwert, vielfältigen Jobangeboten und Karrieremöglichkeiten.“ Dazu kommen Szene-Läden, internationale Boutiquen und eine jugendliche Bevölkerung.

Wer an der Uni Hamburg studiert und lehrt, erlebt den Frauenüberschuss in fast allen Fachbereichen. Das weibliche Geschlecht glänzt im Alter der 18- bis 25-Jährigen mit einer überproportionalen Präsenz zum Beispiel in Psychologie, Sprache, Literatur und Medien (rund 80 Prozent), Erziehungswissenschaften (78 Prozent) und Medizin (60 Prozent). Das geht aus Daten der Uni-Abteilung Universitätsentwicklung hervor, die ebenfalls dem Abendblatt vorliegen. Lediglich im Zentrum für Bioinformatik (47 Prozent) und in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (50 Prozent) sind die Geschlechter nahezu gleichstark vertreten. In der Physik sinkt der Frauenanteil auf gerade einmal 19 Prozent.

Die Gründe für Hamburgs Frauenzuwachs sind vielfältig. Heutzutage sind die 18- bis 25-Jährigen nach Ansicht der BBSR-Wissenschaftlerin Gabriele Sturm „weit überproportional an Binnenwanderungen beteiligt“. Es zieht sie vor allem dann aus der Heimatregion weg, wenn sich ihnen dort nicht genügend qualifizierte Ausbildungsmöglichkeiten bieten. Junge Frauen, sagt Gabriele Sturm, suchen ihre Entwicklungsmöglichkeiten mehr als die gleichaltrigen Männer jenseits traditioneller Familienverbände. Männer dagegen bleiben möglichst lange im „Hotel Mama“. Nach Ansicht von Trendforscher Wippermann setzen die Männer eher auf das ihnen Vertraute. „Herkunft prägt ihr Verständnis von Lebensqualität.“ Mit dem Effekt, dass der Männeranteil in Wilhelmshaven zum Beispiel bei 59 Prozent liegt. Schulisch gut ausgebildete Frauen ohne festen Lebenspartner und eigene Kinder wandern dagegen ab, sobald sie keinen ihrer Qualifikation entsprechenden Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz und auch keinen geeigneten Lebenspartner finden, sagt Sturm, die als Projektleiterin im Referat „Raum- und Stadtbeobachtung“ im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung arbeitet.

Hamburgs Politiker jubeln derweil über den demografischen Zuwachs in der jungen Generation. „Die gesamte Metropolregion Hamburg zieht aus den umliegenden Bundesländern und dem ganzen Bundesgebiet junge Menschen an, die in der Elbmetropole hervorragende Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben oder zum Studieren hierherziehen“, sagt etwa Daniel Oetzel, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Hamburg. Für Gabi Dobusch, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, ist das alles kein Zufall, sondern erklärtes Ziel der Senatspolitik.

„Frauen finden in Hamburg Unterstützung wie in kaum einer anderen Großstadt.“ Schließlich sei es die Absicht, die kinder- und familienfreundlichste Stadt Deutschlands zu werden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die heute 18- bis 25-Jährigen in Hamburg bleiben, ist groß. Wer einmal seinen Heimatort verlassen hat, kehrt – so die Erfahrung der Stadtforscher – nicht mehr zurück. „Die jungen Frauen“, beteuert Dobusch, „sind in Hamburg gewollt.“

Hamburg überzeugt die jungen Frauen mit einem hohen Freizeitwert und vielfältigen Jobangeboten.