„Jugend musiziert“ feiert 50. Geburtstag. Anke Dieterle leitet den Hamburger Landeswettbewerb

Der ganz große Abschluss des Jubiläums „50 Jahre Jugend musiziert“ ging gerade in Berlin über die Bühne: vier große Konzerte im Konzerthaus gab es am Berliner Gendarmenmarkt. Noch einmal Hochspannung, Jubel, Begeisterung für das größte Jugendmusikprojekt der Republik, an dem seit seiner Gründung mehr als 500.000 Kinder und Jugendliche teilgenommen haben. Und dann geht’s schon wieder los: Die Meldefrist für „Jugend musiziert 2014“ läuft bis zum Freitag, 15. November.

1963 begann es mit 2500 Teilnehmern, inzwischen sind jährlich bis zu 25.000 Kinder und Jugendliche dabei. Der Wettbewerb lebt auch vom großen Engagement Hunderter Musiker und Musikpädagogen, die ihre Schülerinnen und Schüler auf die Vorspiele vorbereiten, die in den Jurys sitzen und die den Wettbewerb organisieren.

So wie Anke Dieterle, 45, Vorsitzende des Hamburger Landeswettbewerbs von „Jugend musiziert“, die in einem Büro in der Staatlichen Jugendmusikschule am Mittelweg die Projektfäden in der Hand hält.

An die 600 junge Musiker stellten sich zuletzt in den drei Hamburger Regionalwettbewerben den Jurys, die etwa 200 von ihnen in den Landeswettbewerb weiterleiteten. Die 65 Hamburger 1. Preisträger durften im Bundeswettbewerb mitspielen, 15 von ihnen kamen schließlich mit dem begehrten 1.Preis aus Nürnberg zurück.

Bei Anke Dieterle nimmt Musik großen Raum im Leben ein, und sie brennt dafür. Die Familie ist auch wichtig, ja, aber das Zuhause in Hausbruch ist zum Glück ebenfalls voller Musik. Die drei Kinder, Sohn, neun Jahre (Cello) und zwei Töchter, zehn und zwölf (Cello und Geige), machen genauso Musik wie der Vater, den Anke Dieterle kennenlernte, als sie mit ihrem Trio auf der MS „Berlin“ spielte. Er ist Saxofonist. Die Besetzung der Hausmusik ist also ungewöhnlich, stiftet aber zum kreativen Umgang mit allen möglichen Partituren an.

Dabei war ihr eigener Weg zu den Tönen nicht einfach und gerade. Aufgewachsen ist sie in einem Dorf im westfälischen Sauerland. Die Mutter macht viel Musik. Die Tochter lernt Cello, was sie sich anfangs kaum zutraut. Erst mit einem großartigen Lehrer aber steigt ihre Motivation „von null auf hundert“. Ihr Weg mit dem Cello führt sie schließlich zur NDR Radiophilharmonie in Hannover. Ein Orchester-Job, und sie merkt: So interessiert mich Musik nicht wirklich.

Sie tut sich mit ihrem Bruder zusammen, der ebenfalls Musiker ist. Sie gründen etwas Eigenes: die Akademie Hamburg für Musik und Kultur, ohne öffentliche Zuschüsse, eine Musikschule am Harburger Binnenhafen, mit heute fast 700 Schülern und 50 Lehrern. Dieterle hat selbst neun Schüler und leitet Orchester.

Hier probieren sie aus, wie Musikunterricht sein muss, wenn Kinder nicht mehr selbstverständlich vor einem bürgerlichen Hintergrund mit Musik in Berührung kommen. Kinder, die das nicht mitbringen, brauchen andere Zugänge zur Welt der Musik. Und wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte, dann jammert Anke Dieterle nicht, sondern packt an, engagiert sich, bleibt hartnäckig, bis sie die Dinge zum Guten verändert.

Den Blick fürs Positive hat sie auch. Beispiel? „Manche Kinder sind heute sehr begabt und schnell. Die wissen schon mit zehn, wie man richtig übt – ich wäre mit 20 froh gewesen, wenn mir das jemand verraten hätte.“ Auch ist das Verhältnis zur Musik häufig entspannter: „Ich steckte selbst lange in einem Leistungsgedanken, mit dem ich mich nie frei gefühlt habe. Viele Kinder heute fühlen sich schon sehr frei, wenn sie Musik machen.“

Das Ausloten des Spannungsfelds von Exzellenz, Freude an der Musik und Motivation zur intensiven Beschäftigung damit prägt ihre Arbeit für „Jugend musiziert“. „Für uns ist es wichtig, dass man die Persönlichkeit in der Interpretation hört. Früher standen dahinter oft diese typischen ‚Eislaufmütter‘, heute haben wir viel mehr Kinder, die sehr beseelt und frei aufspielen.“ Die „Jugend musiziert“-Preise geben oft den Kick für den Einstieg in einen musikalischen Beruf.

Sicher, der Wettbewerb fordert und fördert Bestleistungen. Aber das heißt nicht, sagt sie, dass man die Wirkung für die Teilnehmer übersehen darf, die nur zweite, dritte oder gar keine Preise bekommen. „Die nehmen oft viel Motivation mit aus diesem Umfeld toller Leistungen. Manche wissen plötzlich, wie und warum sie spielen sollen. Sie machen einen Sprung auf ein anderes Niveau und erleben, dass Musik nicht nur was nebenbei ist, sondern das Leben schön macht.“

Seit 2004 managt Anke Dieterle einen der Hamburger Regionalwettbewerbe. Ihre Ideen, die sie noch in vielen anderen Gremien des Musiklebens vertritt, auch bei „Jedem Kind ein Instrument“, finden Zustimmung. Und ihre Begeisterung ist sowieso ansteckend. 2010 wird ihr die Leitung des Landeswettbewerbs angetragen. Das bedeutet: viel Organisation, Teilnahme an den Jurys. Jetzt steht der nächste Wettbewerb vor der Tür, unter anderem für Klavier, Gesang, Harfe, Drum-Set und Gitarre (Pop), Streicher-Ensembles, Akkordeon-Kammermusik und Neue Musik. Die Arbeit für 2015 beginnt auch schon: Da wird der Bundeswettbewerb in Hamburg ausgetragen. Ein wichtiger Baustein für die Musikstadt Hamburg.

Für uns ist es wichtig, dass man die Persönlichkeit in der Interpretation hört.