Carl-Heinz Schwartau sollte sein Geschäft in Winterhude schließen. 150 Kunden protestierten

Jeden Werktag um sieben Uhr kommt Schuhmacher Carl-Heinz Schwartau in seinen Betrieb am Poelchaukamp und arbeitet bis 19 Uhr. „Ich bin schon seit fast 45 Jahren hier“, sagt Schwartau. Die Kunden mögen den 68-Jährigen, vertrauen ihm ihre besten Stücke an, die Nachbarn bringen ihm mal einen Kaffee vorbei.

Kürzlich bekam Schwartau Post. Vom Bezirksamt Nord. „In dem Brief stand, dass ich sofort meine Arbeit einstellen muss. Angeblich waren in der Wohnung über mir Emissionswerte um ein Vielfaches überschritten.“ Der Schuhmacher kann sich dies nicht erklären. Er hat eine Abzugsanlage, an der Decke befindet sich zudem eine Spezialtapete, die verhindert, dass seine Klebstoffemissionen in die Wohnung über seinem Laden gelangen. „Der Klebstoff ist zugelassen. Damit arbeiten viele Schuhmacher“, sagt Schwartau und präsentiert ein offizielles Gutachten.

Der Vorgang hat die Kunden alarmiert. Eine Frau, deren Namen Schwartau noch nicht einmal kennt, druckte und verteilte Unterschriftenlisten gegen den Rauswurf, auch weil er der einzige Schuhmacher in dem Viertel ist. Weit mehr als 150 Kunden haben in kürzester Zeit den Protestaufruf unterschrieben.

Dann kam plötzlich Entwarnung vom Bezirksamt. „Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, dass Herr Schwartau bleibt, wenn er seine Abluftanlage ordnungsgemäß betreibt“, sagte Harald Rösler, Chef des Bezirksamtes Hamburg Nord, dem Abendblatt.

Der Schuhmacher freut und wundert sich über die Entscheidung des Bezirksamts. Wer die Kontrolleure gerufen hat, weiß er nicht. Bereits 1998 wurde versucht, ihm zu kündigen. Auch damals konnte er dies verhindern.

„Wenn die Regeln strenger werden, dann müsste jeder Schuhmacher in Hamburg aufgeben“, sagt er. „Natürlich gab es am Wochenende manchmal Beschwerden, weil ich schon morgens um sieben Uhr anfange“, räumt Schwartau ein. Die wenigen Kritiker sind aber erst in den vergangenen Jahren eingezogen.

Dass es in dem Haus einen Schuhmacher gibt, der früh einen Laden öffnet, war am Aushang der Öffnungszeiten erkennbar. „Wir kennen den Fall“, so ein Sprecher der Schuhmacher-Innung. Er freut sich für Schwartau. Denn echte Schuster findet man immer seltener. „Wir haben sowieso nur noch 25Schuhmacher als Mitglieder unserer Hamburger Innung, vor 20 Jahren waren es immerhin noch rund 250.“

Schwartau hat bereits vor Jahren mit der ehemaligen Hausverwaltung der Immobilie am Poelchaukamp 17 einen Mietvertrag bis zum Jahr 2020 abgeschlossen. Dann ist er 75 Jahre alt. „Ich will so lange arbeiten, wie ich gesund bleibe“, sagt er. „Mir macht mein Beruf Spaß.“ Kadir Pek, der gegenüber eine Schneiderei betreibt, ist das Lachen vergangen. „Meine Miete wurde um neun auf 30,50 Euro pro Quadratmeter erhöht.“ Er zieht jetzt in einen bezahlbaren, größeren Laden im nahen Hans-Henny-Jahnn-Weg.

Der Schneider und der Schuster sind Beispiele für den gravierenden Wandel des Viertels. Vor 20Jahren gab es am Mühlenkamp und in den umliegenden Straßen noch einen Porzellanladen, eine Drogerie, einen Tante-Emma-Laden und weitere kleine Geschäfte, die wegen der höheren Mieten aufgeben mussten. Inzwischen kostet der Quadratmeter Ladenfläche am Mühlenkamp bereits 25 bis 35 Euro. Solche Preise können oft nur Filialketten wie Douglas, Schuback oder Marc O’Polo leisten.