Wegwerfgesellschaft? Von wegen! Wer sich nicht von alten Sachen trennen mag, lässt sie von Spezialisten in Handarbeit instand setzen

Die Kunst der Reparatur kommt nie in die Jahre. Indem sie ihr Fachwissen über Generationen bewahrten, trotzen kleine Familienbetriebe in Hamburg erfolgreich der Wegwerfgesellschaft. Zum Beispiel in den Geschäften der Familien Zimmermann und Vertein, in denen mit wenigen Mitarbeitern und viel Geduld hochwertige Reparaturen durchgeführt werden.

Die Scherben-Klinik in der Bundesstraße 40 ähnelt eher einem Museum als einem Krankenhaus. In der rechten Ladenhälfte liegen auf hohen Regalen alle Stücke, die schon repariert wurden. Es sind Gebrauchs- oder Nippes-Gegenstände aus Porzellan, Keramik, Glas, Kristall, Marmor oder Gips. „Die meisten Sachen in meinem Regal sind gar nicht wertvoll“, sagt Ladeninhaber Arne Zimmermann, 48. Die Dinge wurden mit Bruchschäden eingeliefert, jetzt sind sie wieder alltagstauglich und spülmaschinenfest. Zimmermann und seine vier Mitarbeiter behandeln alle Patienten gleich. Ob Meißentasse oder Urlaubsandenken: Was dem Besitzer etwas bedeutet, ist der Reparatur wert.

In der linken Hälfte des Ladens surrt ein zahnärztliches Gerät, das mit verschiedenen Aufsätzen zum Schleifen und Glätten verwendet wird. Hier liegen die Patienten in verschiedenen Zuständen ihres Heilungsprozesses herum, ein zerbrochener Porzellan-Schuh, ein Teller mit hebräischer Beschriftung, den ein Kunde aus Israel einschickte, ein billiger Becher mit der Aufschrift „Ohne dich ist alles doof“, für dessen Reparatur der Besitzer rund 70Euro zu zahlen bereit ist. „Die Arbeit macht Spaß“, sagt Zimmermann. Kein Zweifel: Scherben bringen Glück.

In der Rosenstraße 6 indes kommt das Gute von oben. Man hofft auf Regen, denn hier wird ein Produkt fachkundig repariert und verkauft, das die Hamburger an durchschnittlich 100 Tagen im Jahr dringend brauchen. Carola Vertein, 46, seit 21 Jahren Chefin des Schirmfachgeschäftes Schirm & Co, sitzt an ihrem Arbeitstisch mitten im Laden und repariert einen alten Herrenschirm. Um sie herum ist auf kleiner Verkaufsfläche das Sortiment zu bewundern, Schirme über Schirme, viele selbst gebaut.

Verteins Wissen, das ihr Vater Frank Vertein an sie weitergab, ist rar: „Wir sind die Einzigen, die in Hamburg noch Schirme reparieren“, sagt sie.

5000 Schirme werden hier im Laden jährlich repariert. „Das größte Problem beim Reparieren von Schirmen ist, dass es keine Ersatzteile mehr gibt. Früher wurden sie mitgeliefert.“ Das sei heute nicht mehr üblich. Die meisten Schirme kommen inzwischen aus Fernost, eine lange Lebensdauer ist nicht vorgesehen. „Die Reparatur lohnt sich nur, wenn der Schirm einigermaßen gut ist“, sagt Vertein. „Das Gewicht hat immer mit der Qualität zu tun. Wenn ein Schirm zu leicht ist, ist er nicht hamburgtauglich.“

Dies hat in Verteins Familie Tradition. Schon 1876 reparierte ihr Urururgroßvater Theodor Eggers Schirme auf dem Fischmarkt und gründete schließlich den ersten Laden. Schirm Eggers in der Mönckebergstraße wurde eine Institution in Hamburg, besaß zur Blütezeit elf Filialen. Anfang der 90er-Jahre jedoch musste Verteins Vater, der das Unternehmen damals führte, Konkurs anmelden. Mit Schirm & Co eröffnete die Familie kurz darauf ein neues, kleines Geschäft, das nun Carola Vertein mit Erfolg leitet.