Dirk Lau, Vorstand des ADFC Hamburg, kämpft für Tempo 30 und autofreie Zonen in der Stadt

Gäbe es in Hamburg so etwas wie einen Vorzeigeradfahrer, Dirk Lau wäre einer. Obwohl das Sprachrohr des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) sich mit seinem Rad doch glatt ohne Helm auf die Straße traut, wohin Radfahrer laut Deutscher Straßenverkehrsordnung übrigens auch gehörten, wie er sagt.

„Vom Helm tragen bekomme ich Kopfschmerzen“, behauptet er. Und dass die Forderung nach einer Helmpflicht für Radfahrer bloß falsche Propaganda sei. „Helme schützen nicht vor Unfällen. Davor schützen nur bessere Verkehrsbedingungen. Wer eine Helmpflicht fordert, kann auch gleich verlangen, im Ganzkörperpanzer durch Hamburg zu fahren. Dabei soll Radfahren doch auch Spaß machen.“ Er ist nicht allein, 90 Prozent radeln hierzulande ohne Kopfschutz. Für den ADFC hat er kürzlich das Urteil des Schleswiger Oberlandesgerichts kritisch kommentiert, das einer bei einem Unfall schwer verletzten Radfahrerin eine 20-prozentige Mitschuld attestierte, weil sie keinen Helm getragen hatte, obwohl es unzweifelhaft sei, dass ein Helm vor Kopfverletzungen schütze, und auch die Anschaffung sei wirtschaftlich zumutbar.

„Hier wird das Verursacherprinzip ad absurdum geführt“, sagt Lau, „so soll eine Helmpflicht durch die Hintertür eingeführt werden. Die Hürde, das Verkehrsmittel Fahrrad zu benutzen, sollte aber nicht noch weiter erhöht werden.“ Denn das Fahrrad sei nun mal das Stadtgefährt der Zukunft, da seien sich nicht nur alle Stadtentwicklungsexperten einig. Etwa eine Million Radler gibt es nach Schätzung des ADFC in Hamburg, von denen rund ein Viertel als sogenannte „Alltagsradler“ gelten, die das Rad jeden Tag für ihre Wege nutzen.

Lau selbst wurde schon zweimal in der Stadt von Autofahrern „abgeräumt“: Während ein Sturz über eine geöffnete Autotür noch glimpflich ablief, wurde beim zweiten Unfall sein rechter Ellenbogen zertrümmert; er wird seither von Titanplatten zusammengehalten. Was die Helm-Debatte angeht, vertraut der 48-Jährige, der als Redakteur arbeitet, auf die Unfallstatistik, die relativ wenige Kopfverletzungen nach Fahrradunfällen aufweist und Recherchen des ADFC: „Alle Untersuchungen zeigen, dass die Radfahrer auf der Straße sicherer unterwegs sind als auf den Fahrradwegen.“

Besonders die kombinierten Rad- und Gehwege wie zum Beispiel die Wandsbeker Marktstraße, wo der Radweg in den breiten Bürgersteig integriert ist, auf dem die Fußgänger kreuz und quer laufen, stellten eine permanente Unfallquelle dar. Aber: „Die Radfahrstreifen, die jetzt auf einigen Hauptverkehrsstraßen angelegt werden: Das ist eine Maßnahme, die in die richtige Richtung zeigt.“ Nur wachse das Bewusstsein hierfür in den Behörden nur langsam. Dabei seien solche Streifen doch sowieso viel kostengünstiger als der Bau von neuen Radwegen abseits der Fahrbahn.

Lau wuchs in Tonndorf auf, wo seine Eltern beim Landesstudio des ZDF arbeiteten. Mit zehn Jahren bekam er sein erstes Rennrad. Er sei aber nie Rennen gefahren, nur gegen sich selbst. Auch als er in seiner Jugend vorübergehend in ein Kaff bei Mainz umziehen musste und der tägliche Schulweg plötzlich knapp 20 Kilometer betrug (eine Strecke!), fuhr Dirk Lau fast immer mit dem Rad. Vermutlich war es eine Hassliebe, gerade wenn es regnete und der Wind mal wieder von vorne kam, aber irgendwie sei er dabei geblieben, bis heute.

Also radelt er selbstverständlich aus Blankenese, wo er wohnt, nach St. Georg zum Büro des Landesverbandes. Erst vor viereinhalb Jahren ist Dirk Lau eingetreten, als man per Zeitungsanzeige einen Vorstand suchte. Er wollte etwas Sinnvolles für die Stadtmenschen tun und wurde in das neue Team gewählt, das seitdem gemeinsam mit rund 120 ehrenamtlichen, aktiven Mitgliedern sowie einigen wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern den Verein formt. Insgesamt hat der Club, der seit 1981 existiert, knapp 6800 Mitglieder.

Nur wenn die Rede aufs Private kommt, dann werden seine Lippen schmaler als die Reifen eines Rennrads. Ja, er sei verheiratet. Nein, sie hätten keine Kinder, neuerdings aber zwei Katzen. Und, ja, sie besäßen auch ein Auto, einen alten Lancia, aber der erhöhe seit Längerem nur noch den „Parkdruck“ in Blankenese und werde bald verschrottet. Dirk Lau lacht: „Es gibt ja auch keine schönen Autos. Früher vielleicht, da gab es noch schön geformte Karosserien!“

Die größten Feinde der Radfahrer seien auch nicht die Autofahrer, sondern die Politik und die Lobby der Autoindustrie, sagt er. Die sorge nach wie vor dafür, dass keine Tempolimits eingeführt werden. Denn zum sicheren Radeln auf der Straße bedürfe es zweier weiterer verkehrspolitischer Maßnahmen: „Wir wollen die Regelgeschwindigkeit umdrehen. Tempo 30 reduziert Emissionen, Lärm und senkt die Unfallhäufigkeit. Tempo 50 muss zur Ausnahme werden. Und wir brauchen flächendeckend autofreie Zonen in der Innenstadt.“

Dagegen entspreche die jüngste Sieben-Millionen-Euro-Investition in die Verkehrsleitzentrale anachronistischem Denken. Der Kraftfahrzeug-Verkehr müsse nicht besser fließen, sondern reduziert werden: „Aber so lange wir einen Bürgermeister haben, der einen Motorradgottesdienst besucht ...“