Das Singspiel „Familienbande“ hat am Sonntag Premiere in den Kammerspielen

Manchmal kann es durchaus von Vorteil sein, keine Verwandten zu kennen. Für Franz Wittenbrink ist das schon schwieriger – nicht nur, weil er als eines von 13 Geschwistern in einer streng katholischen Familie aufwuchs. Doch der Arrangeur, Komponist und Regisseur hat bisher noch aus jeder Situation Kreatives geschöpft. Vor zwei Jahren brachte Wittenbrink mit Lutz Hübner im Staatsschauspiel Dresden die „Familienbande“ zur Uraufführung. Hier der Wahlhamburger, dank seiner Schauspielhaus-Erfolge „Sekretärinnen“, „Männer“ oder zuletzt im Herbst „Aida“ der ungekrönte König der Liederabende, dort der Wahlberliner Hübner, einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker und präziser Beobachter gesellschaftlicher Verhältnisse („Gretchen 89ff“, „Frau Müller muss weg“, „Die Firma dankt“).

„Ein musikalischer Abend unter Verwandten“ haben die beiden Theatermacher ihr Singspiel mit kurzen Dialogen im Untertitel genannt.

„Das haben Lutz Hübner und Franz Wittenbrink schon sehr schlau geregelt. Das Stück hat alles, was eine Familie ausmacht, herzliche und schreckliche Momente“, sagt Jasmin Wagner. Sie ist bei der hanseatischen Neuinszenierung der „Familienbande“ in den Hamburger Kammerspielen Teil eines komplett neuen Ensembles.

In der Regie Franz-Joseph Diekens gibt Wagner, Mitte bis Ende der 90er als Teenie-Star Blümchen mit Techno-Dance-Pop und Happy Hardcore erfolgreichste deutsche Solomusikerin, die Tochter der alleinerziehenden Yogalehrerin und dominanten Johanna (Caroline Kiesewetter). Beide sind nur zwei von neun Familienmitgliedern, die in einem schäbigen Landgasthof den 80.Geburtstag von Opa Josef feiern wollen respektive müssen. Während aus dem Raum mit dem Jubilar (Tim Grobe, auch als geldgeiler Sohn Albert dabei) nur Musik und Geräusche dringen, streiten sich im Hinterzimmer Tanten und pubertierende Enkel.

Mit dieser „Familienbande“ und dem „Grotesk Song“ der Ärzte kehrt Jasmin Wagner an die Kammerspiele zurück. Dort hatte die Sängerin und Schauspielerin 2008 in dem Liederabend „Männerbeschaffungsmaßnahmen“ erstmals auf einer Hamburger Theaterbühne gestanden. Nachdem sie in Altona die Charlotte in „Robin Hood“ gespielt hatte, erlangte die Hamburgerin als „Alexandra – Glück und Verhängnis eines Stars“ bundesweit Anerkennung. Das Musical über die 1969 gestorbene Sängerin lief eineinhalb Jahre lang im Berliner Schlossparktheater, in weiteren Städten – nicht in Hamburg.

Jasmin Wagner genießt es daher, den Sommer wieder an Elbe und Alster zu verbringen. Und familiärem Zündstoff weiß sie vorzubeugen. „Wenn wie bei uns oft externe Freunde dabei sind, wird das alles umgänglicher und erträglicher.“ Der Domino-Effekt von Konflikten komme so schwerer in Gang.

Die Autoren wollten mit der „Familienbande“ ja ohnehin nur ein Sittenbild über durchschnittliche Bundesbürger zeichnen. Oder wie es Wittenbrink in seiner ironischen Art formuliert: „einen unaufgeregten klaren Blick auf eine Gesellschaft voller guter Menschen und maulender Rentner ...“

„Familienbande“ Premiere So 28.7., 19.00, bis 18.8., Do–Sa, jew. 20.00, So 19.00, Hamburger Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstr. 9–11, Karten zu 25,- bis 48,- unter Tel.413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de