Bei Beiersdorf dauert es manchmal zehn Jahre, bis ein Deodorant auf den Markt kommt

Es geht heiß zu in diesen Sommertagen bei Beiersdorf in Hamburg. Knapp 50 Männer und Frauen sitzen im Forschungszentrum des Nivea-Herstellers bei 38 Grad in einem Wärmeraum des Konzerns. 80 Minuten lang müssen sie ausharren. Es finden Tests statt, mit denen Beiersdorf herausfinden will, wie und warum Menschen schwitzen. Am Ende soll so ein neues Deo auf den Markt kommen, mit dem Hamburgs einziger DAX-Konzern die Konkurrenz überholen will. Schon heute sind die Schweiß- und Geruchshemmer einer der großen Renner von Beiersdorf.

„Wir sind in 25 Ländern dieser Welt Marktführer“, sagt Heiner Max, Abteilungsleiter für den Bereich Forschung und Entwicklung von Deos. Das wissen Günther Thomalla und Michael Janzen möglicherweise nicht. Verschwitzt treten die beiden aus dem Wärmeraum, in dem sie am Oberkörper ein T-Shirt trugen mit Löchern unter der Achsel. „Ich bin über meine Frau zu Beiersdorf gekommen“, sagt Thomalla, der Vertriebsleiter einer Krankenkasse ist. Den Energieberater Janzen hat die Mutter einer Freundin auf die Idee gebracht, Proband zu werden. Ums Geld kann es den Studien-Teilnehmern nicht gehen. Zwischen 70 und 300 Euro betragen die Honorare der beiden – und das bei Tests, die im Extremfall auch einige Wochen dauern können.

11.000 Probanden hat Beiersdorf in seiner Kartei, davon 6000 bis 7000 in Hamburg. Wer bei den Deo-Studien mitmachen will, muss unter 70 Jahre alt sein und wird zu Beginn einem Gesundheitsscheck unterzogen. „Aber für andere Tests haben wir auch eine 88-Jährige unter unseren Probanden. Wir machen jedes Jahr rund 1000 Studien mit jeweils 30 oder 50 Probanden,“ sagt Joachim Ennen, Chef des Testzentrums. Bei der Deo-Studie dürfen die Teilnehmer drei Wochen vor dem Testbeginn keine Deos mehr verwenden. „Das würde möglicherweise unser Ergebnis beeinflussen. Zudem haben wir in unserem Testbereich konstant 21,5Grad und 45 Prozent relative Luftfeuchtigkeit. Nur so sind die Tests vergleichbar“, sagt Ennen.

Bevor sich die Probanden wieder anziehen, geben sie ihre Proben ab. Zuvor hatten sie Baumwollpads bekommen, die sie sich in der Sauna unter eine Achsel klemmen mussten. Nur eine Achsel wird mit dem Testprodukt behandelt, die andere bleibt zum Vergleich frei. Nach dem großen Schwitzen kommt die Stunde von Boris Kristof. Eigentlich arbeitet er als Biotechniker bei Beiersdorf. Doch mehrmals im Jahr ist er einer von 20 „Sniffern“ des Konzerns, ein Mann, der jeden Geruch erkennt und beurteilen kann. Kristof schnüffelt an den Baumwollpads der Probanden, vergibt eine Note von null bis fünf. Null bedeutet kein Schweißgeruch, bei fünf muss seine Nase einiges ertragen. Die Probanden hat er nie gesehen. „Aber manche erkenne ich im Lauf der Jahre wieder. Da merke ich, dass ich diesen Geruch schon einmal hatte“, so Kristof. Ob sich seine feine Nase auch außerhalb von Beiersdorf bemerkbar macht? „Es ist schon vorgekommen, dass ich privat Noten vergab.“

„Etwa 71 Prozent der Deutschen nutzen laut der Gesellschaft für Konsumforschung regelmäßig ein Deo“, sagt Björna Windisch, die für die Entwicklung von neuen Deos zuständig ist. Bei Frauen sind es 73, bei Männern nur 69 Prozent. In einigen Ländern ist die Rate viel geringer. „Chinesen und Koreaner riechen kaum unter den Achseln, wie auch die meisten Japaner“, sagt Max. Nur rund 20 Prozent der Bevölkerung in Japan riecht, es werden aber dennoch viele Deos in dem Land verkauft. Dort ist die 1951 auf den Markt gekommene Beiersdorf-Marke 8x4 Marktführer.

„Der Mensch hat durchschnittlich auf seinen zwei Quadratmeter Haut zwei bis drei Millionen Schweißdrüsen“, sagt Max. Ihre Aufgabe ist es, den Körper bei Hitze zu kühlen. Die Haut scheidet eine wässrige Flüssigkeit aus, die dafür sorgt, dass sich die Körpertemperatur abkühlt. Verantwortlich für diese Regulation des menschlichen Wärmehaushalts sind die sogenannten ekkrinen Schweißdrüsen. Sie produzieren einen Schweiß, der zu mehr als 99Prozent aus Wasser besteht. Sie sondern keinen Geruch ab. Die sogenannten apokrinen Schweißdrüsen hingegen sind für den Schweißgeruch zuständig. Sie kommen ausschließlich in der Achsel vor. Aber sie sondern Vorläufer für Geruchsstoffe ab. Diese werden etwa unter der Achsel von Bakterien zersetzt, so dass es zum Schweißgeruch kommt. Ein Deo mit antimikrobiellen Wirkstoffen, also Substanzen, die die Aktivität der Schweißdrüsen reduzieren, soll helfen. In der Achsel tummeln sich pro Quadratzentimeter eine Million Bakterien. „Es gilt, deren Anzahl zu reduzieren“, sagt Windisch. Hilfreich seien zum Beispiel Zinkcitrat oder Bio-Florin, eine naturidentische Substanz, die das Schwitzen vermindern.

Bei Tests im Labor prüft Beiersdorf, welche Stoffe und Mischungen wirksam sind. So werden in einem Testdurchlauf bis zu 500 Substanzen aus einer Rohstoffdatenbank im Biolabor getestet. „Von 500 getesteten Substanzen haben wir vielleicht vier Rohstoffe, die sich für ein neues Deo eignen“, sagt Laborant Andreas Firyn. Diese werden anschließend intensiven Sicherheitsprüfungen unterzogen, so dass am Ende mit Glück ein einziger Wirkstoff als aussichtsreich gilt“, so Windisch. Zudem wird getestet, in welcher Mischung bestimmte Wirkstoffe in einem Deo wirken.

Dann ist da noch die Sache mit dem Angstschweiß. Auch für diesen Bereich gab es bei Beiersdorf und von dem Konzern beauftragten weiteren Laboren viele Tests mit Deo-Wirkstoffen, die das Stress-Schwitzen verringern können. Als Ergebnis kam zum Jahresanfang das Deo Stress Protect auf den Markt. „Von der Idee bis zur Marktreife dauert es in der Regel zwei bis fünf Jahre“, sagt Windisch. „Bei besonders aufwendigen Forschungsaktivitäten können es auch bis zu zehn Jahre werden.“ Wann das nächste Deo auf den Markt kommt und welchen speziellen Zweck es erfüllen soll? Da schweigen sich Max und Windisch aus. Denn die Konkurrenz will man nicht wachrütteln.