Das Geschäft Urbike auf St. Pauli baut Zweiräder nach dem persönlichen Geschmack der Käufer

Für Leute, die sich nur schwer entscheiden können, ist ein Besuch bei Urbike wohl eine etwas beschwerliche Sache. Der Fahrradladen an der Feldstraße auf St. Pauli bietet die wohl größte Farbauswahl, die bei Rädern vorstellbar ist, dazu den größten Variantenreichtum bei den Farbkombinationen von verschiedenfarbigen Reifen, Gabeln, Felgen, ja sogar bei Ketten. Die Idee ist das maßgeschneiderte Rad. Passend zum Lebensstil.

„Hier kann sich jeder sein Fahrrad emotional aufladen“, sagt Gründer Robin Homolac, der selber gut zehn Fahrräder besitzt und sie je nach Einsatz benutzt, ob zum Sport, zum Einkaufen, zum Um-den-Block-Fahren. Ein Auto hat der gebürtige Münchner nicht. „Das Rad wird immer mehr zum Lifestyleprodukt“, sagt Homolac, ein 29-jähriger studierter Wirtschaftswissenschaftler, der in Jeanshemd und mit Stoppelbart in seinem stylischen Laden gegenüber dem Bunker sitzt.

So wie das Auto für jüngere Leute als Statussymbol verliert, gewinnt das Rad in Sachen Selbstdarstellung an Bedeutung. „Die Kunden kommen mit den witzigsten Wünschen, einer hat sich ein Latte-macchiato-Rad zusammengestellt in Kaffeefarben, ein Schokofan wählte Kakaotöne, ein Kunde wählte die Farben seiner Turnschuhe.“

Etwas befremdlich fand Homolac einen Kunden, der sich für einen zartrosa Rahmen entschied, bis dieser sich als leidenschaftlicher Leser der auf rosa Papier gedruckten Sportzeitung „Gazzetta dello Sport“ outete. So wie sich die Kunden heute im Internet ihre persönliche Müslimischung zusammenstellen können, setzt auch Urbike auf den Trend der Individualisierung, der aufgrund neuer Fertigungstechniken und mit dem Vertrieb über das Internet erschwinglich wird. Urbike hat sich bei der Gründung vor gut zwei Jahren auf Singlespeedbikes spezialisiert, also Räder ohne Gänge, die mit ihrer minimalistischen Ausstattung ganz besonders nach Designrad aussehen. Diese Räder kommen ursprünglich aus der Szene des Bahnradsports, wurden dann unter US-amerikanischen Fahrradkurieren Kult, bis der Trend auch zu uns kam.

In der abgespeckten Version, als Fixie-Rad, verzichtet der Hersteller sogar auf den Leerlauf und auf Bremsen. Besonders in Berlin, wo sich die Fixies ebenfalls rasant durchgesetzt haben, sind diese Räder unter Verkehrsteilnehmern stark umstritten. Schließlich bremsen sie nur, wenn der Pilot sich mit einigem Geschick gegen die Drehbewegung der Pedale stemmt.

Ungeachtet der Sicherheitsbedenken sind die Räder unter Fahrradästheten sehr beliebt, und Urbike, deren Singlespeedräder auch als Fixies zu fahren sind, profitiert von dem Trend. Ursprünglich kommt die Marke aus München und verkauft die Räder auch im Internet, aber der Laden auf St. Pauli ist so erfolgreich, dass Gründer Homolac inzwischen hier heimisch geworden ist und die Entwicklung der Räder von Hamburg aus vorantreibt.

Gut 400 Räder haben die Kunden in dem Shop auf St. Pauli bereits bestellt, und das, obgleich Urbike nicht ganz ohne Konkurrenz lebt. Wer etwas mehr Geld ausgeben möchte, kann sich ein Singlespeedbike auch bei Snake Rides unter www.snake-rides.com zusammenstellen. Für Fahrradenthusiasten, die das Besondere und extrem hochwertige Komponenten lieben, bietet zudem der ebenfalls auf St. Pauli ansässige Laden Suicycle das passende Angebot. Auch die Hamburger Marke Bergamont bietet Singlespeed-Modelle an. Urbike sieht sich in diesem Konkurrenzumfeld als Ausstatter für Leute, die ein schickes Rad, aber nicht so viel Geld dafür ausgeben wollen. Ab 495 Euro kostet hier ein Singlespeed-Rad in den Wunschfarben. Farbige Reifen, Ledersattel und eine Zwei-Gang-Schaltung, die in die Hinterradnabe eingebaut wird, kosten extra. Urbike weitet sein Programm aber inzwischen aus. Ein Porteur-Fahrrad, also ein Transportrad mit einem vor dem Lenker befestigten Gepäckträger soll die Kunden anlocken, denen das Singlespeed in seiner Einfachheit zu unpraktisch ist. „Die Singlespeed-Räder werden ihre Nische behalten, aber sie sind nicht für jeden gemacht“, sagt Homolac.

Grundsätzlich sind die Wachstumstreiber im Fahrradmarkt derzeit Elektroräder. Durch deren steigende Nachfrage erhöhte die Branche 2012 ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf jetzt 2,27 Milliarden Euro. Das E-Bike hat innerhalb weniger Jahre die früheren Aufsteiger im Markt, die Mountainbikes, abgelöst.

Ein E-Bike anzubieten, kommt für Homolac derzeit aber nicht infrage. „Die Herausforderungen bei der Produktion sind sehr hoch“, sagt der Unternehmer, der die Teile für die Urbikes aus Taiwan bezieht und die Lackierung bei einem Partner in Tschechien anfertigen lässt.

Das Rad wird immer mehr zum Lifestyleprodukt.