Krimi-Autorin Regula Venske ist gläubig. Aber auch kritisch mit dem, was die Kirche tut

Dieser Satz lässt sie nicht los: „I just love my religion.“ Faye Kellerman, eine Freundin aus den USA und selbst Schriftstellerin, hat ihn in einem Interview gesagt. Als Regula Venske ihn las, verspürte sie ein Gefühl, das ihr bis dahin fremd gewesen war: Neid. Neid darauf, dass jemand seinen Glauben so vorbehaltlos lieben kann.

Die Hamburger Krimi-Autorin Regula Venske, die zu den Erfolgreichsten ihrer Zunft gehört, wünscht sich, dass ihr dieser Satz auch eines Tages über die Lippen gehen wird. Sie ist noch im Zwiespalt. Einerseits ist sie ein spiritueller Mensch. Sie ist gläubig. Aber auch kritisch mit dem, was die Kirche tut. „Ich bin widersprüchlich in mir“, sagt sie. Vor 28Jahren, drei Jahre vor der Geburt ihres ersten Sohnes, ist sie aus der Kirche ausgetreten. Damals war sie 29. Vor knapp neun Jahren ist sie zur Kirche zurückgekehrt. Sie hatte für beide Entscheidungen ihre Gründe.

Um das zu verstehen, muss man viele Aspekte im Leben der 57-Jährigen kennen. Da ist zum einen ihr Geburtsjahr: 1955. Aufgewachsen in der Nachkriegszeit, in einer Generation, die vieles von dem ablehnte, was ihre Eltern und Großeltern für gut und richtig gehalten haben. Traditionen zum Beispiel. Für Regula Venske gehört dazu auch die Religion als „Konstrukt, das historisch gewachsen war“. Hinzu kommen ihre Erfahrungen als Studentin in Heidelberg. Untergebracht in einem Wohnheim der evangelischen Kirche gemeinsam mit angehenden Theologen, lernt sie Menschen kennen, die Toleranz und Weitsicht predigen und Intoleranz und Enge leben. Menschen, die sie angreifen, weil sie nicht bereit ist, sich den sehr linken Parolen der anderen anzuschließen. „Ich fühlte mich regelrecht gemobbt“, sagt sie. Freiheitsliebend und kritisch, vom Existenzialismus begeistert und von Sartre beeinflusst, wendet sie sich von der Kirche ab.

Sie geht Mitte der 70er-Jahre nach Hamburg. Vom kirchlichen Studentenwohnheim in Heidelberg nach Ottensen zu ziehen, sei „eine Befreiung gewesen“, sagt sie. Schließlich entscheidet sie sich, die sich bereits mit 14Jahren als Kindergottesdiensthelferin engagierte, Jugendgruppen leitete und einen angehenden Theologen liebte, Mitte der 80er aus der Kirche auszutreten. Sie promoviert in Literaturwissenschaften, schreibt ihr erstes Buch, ein Jugendbuch. 1991 folgt ihr erster Krimi, „Schief gewickelt“. Seitdem hat sie etwa ein Dutzend Kriminalromane und ungezählte Kurzgeschichten veröffentlicht, ebenso sechs Kinderbücher. Immer wieder kombiniert sie in ihren Werken Krimi und Kirche. Nicht weil sie abrechnen will. Sondern weil es die Bibel sei, die „voll von Mord und Totschlag, Inzest, Lug und Betrug ist“, sagt sie. In ihrem ersten Erzählband, „Du sollst nicht töten“, vereint sie Kriminalgeschichten aus jüdischer, christlicher, muslimischer und buddhistischer Perspektive. Es ist ein Auftragswerk zum ökumenischen Kirchentag 2003. Das Buch ist ein großer Erfolg. Auch zum jüngsten Kirchentag wird sie als Autorin angesprochen. Es wurde eine Geschichte über die Feigheit und darüber, wie viel Leid ein feiger Mensch anrichten kann. Eine Botschaft, die Regula Venske am liebsten von der Kanzel rufen würde: „Bleibt heiter. Seid wahrhaftig und klar.“ Sie sei in den vergangenen Jahren durch ein Tal gegangen, sagt sie. Hat eine neue Wohnung bezogen, Ballast abgeworfen. Sie hat gelernt, neue Kräfte zu bündeln. Geholfen habe ihr dabei Yoga. Und das Gebet, allabendlich vor dem Einschlafen. Freundschaften sind es, die ihr Kraft geben. Und die Kirche, in die sie 2004 wieder eingetreten ist. Weil sie merkte, wie sehr ihr die Religion fehlte.

„Oft hatte ich in der Kirche mit den Tränen zu kämpfen“, sagt sie. Die Erlebnisse gingen ihr nah. „Daran habe ich gespürt, dass in mir eine Sehnsucht nach etwas war, was ich verstandesmäßig abgeblockt habe.“ Sie habe gemerkt, dass das Christentum ein Teil von ihr sei, den sie nicht verleugnen oder von sich halten müsse. Zurückgefunden habe sie durch den persönlichen Kontakt mit dem Hamburger Pastor Friedrich Brandi. Und durch ihre Freundschaft mit der jüdisch-orthodoxen Krimiautorin Faye Kellerman. Einer, dessen theologische Arbeit sie besonders schätzt, ist Pastor Frie Bräsen von der Uhlenhorster Gemeinde St.Gertrud, die sie zunächst einmal aus ganz praktischen Gründen gewählt hat, weil sie quasi um die Ecke liegt.

Gott, sagt Regula Venske, sei eine schöne Vorstellung. Eine, die man nicht in Worte fassen könne. Es gehe um den Glauben daran, dass das Leben nicht sinnlos sei, nicht zufällig. „Wir sind herausgefordert, dem Leben einen Sinn zu geben.“ Und das tut sie. Als Mutter ihrer zwei Söhne, deren Geburten wahre „Grenzerfahrungen“ gewesen sind. Es seien vor allem ihre Kinder und Freunde, die ihrem Leben einen Sinn geben. Aber irgendwo auch ihre Arbeit als Autorin. Sie sagt das mit einem Lächeln.

Aber sie ist auch ein kritischer Mensch. Sie hat gelernt, das Provokante im Christentum zuzulassen. Etwas so zu akzeptieren, wie es ist. Sie ist fast angekommen. „I love my religion.“ „Ich glaube“, sagt sie, „ich werde das auch bald sagen können.“

Wir sind herausgefordert, dem Leben einen Sinn zu geben.