US-Unternehmen eröffnet ein Übungszentrum für Menschen, die beruflich zu Höhenflügen ansetzen

Es sind eigentlich nur zehn Meter, und in der großen Halle weht kein Lüftchen. Trotzdem ist den Kletterern in dieser Höhe die Anspannung anzusehen. Das gut vier Meter breite und etwa zehn Meter lange „Dach“ des Nachbaus einer Windturbine wirkt hier oben erschreckend klein. Auf so einer Fläche also arbeiten sie, die Frauen und Männer, die Windräder warten. Nur dass draußen so eine Windkraftanlage schon mal die Höhe von 120Metern erreichen kann und selbst bei ruhiger Wetterlage einen Meter nach links und rechts schwankt.

Der Nachbau eines solchen Windrades – natürlich ohne die riesigen Rotoren – steht in einem Gewerbegebiet im Nordwesten Hamburgs. An der Fangdieckstraße hat das US-amerikanische Unternehmen Capital Safety ein Trainingszentrum für jene Menschen errichtet, die regelmäßig in großer Höhe arbeiten müssen, sei es auf Windrädern, auf Strom- und Telekommunikationsmasten oder im Gerüstbau. Die 1,2Millionen Euro teure und 700 Quadratmeter große Halle wurde kürzlich offiziell in Betrieb genommen.

„Es gibt unglaublich viele Bereiche, in denen Mitarbeiter hoch hinaus müssen“, sagt Stefan Haase, Country-Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Capital Safety. Sein Unternehmen stellt Sicherheitsausrüstung wie Gurtkonstruktionen, Karabiner und Seile her und betreibt europaweit jetzt sechs derartige Trainingszentren. Hans Seubert ist gelernter Industriekletterer und einer der Trainer in Hamburg. Er kennt die Arbeit auf einem Windrad. „Am Anfang war das Schwingen der Plattform gewöhnungsbedürftig“, erzählt er. Zudem gibt es viele unterschiedliche Arten von Windturbinen. „So kommt man manchmal nur über die Nabe an das Getriebe heran, muss also klettern.“ Eine Herausforderung sind auch die Kontrollen der Rotorblätter.

Hier im Trainingszentrum geht es um zweierlei: „Die Lehrgangsteilnehmer erfahren zum einen, wie man sich richtig bewegt und sichert“, erzählt Mike Jadatz, der die Ausbildung verantwortet. „Zum anderen lernen sie, was in einem Notfall zu tun ist, wie sie einen verletzen Kollegen retten können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.“ Zwei Tage dauert ein Kursus.

Neben dem Erklären und Trainieren der Handgriffe geht es bei dem Training darum, „die Mitarbeiter auf unvorhergesehene Situationen vorzubereiten“, sagt Jadatz. In den USA etwa verirrten sich oft Schlangen in Windkraftanlagen. „Auf der Plattform ist es oft schön warm, und der Lärm macht ihnen offenbar nichts aus.“ Problematisch wird es, wenn so ein Tier von einem Monteur aufgeschreckt wird. „Wie also verhalte ich mich, wenn eine Schlange auftaucht oder – das ist in Europa häufiger – ein Vogel aufgescheucht wird?“

Normalerweise würden wir Menschen dazu neigen, erschreckt einen Schritt zurückzutreten, erzählt Jadatz. Auf so einer Plattform kann das gefährlich werden, weshalb die Sicherung durch ein Seil in jedem Moment unabdingbar ist. Die größte Gefahr aber sei die Routine, sagt Haase. „Anfangs achten die Leute darauf, dass sie richtig gesichert sind, und passen auf, wohin sie treten.“ Dann, wenn die Arbeit zum Alltag geworden ist, schleichen sich Nachlässigkeiten ein. Allerdings hält sich die Zahl der Arbeitsunfälle in großer Höhe in Grenzen. „Obwohl das Risiko dort sehr hoch ist“, sagt Haase. Problematischer seien die Höhen von zwei, drei Metern. „Handwerker oder Monteure unterschätzen oft die Gefahr.“