Familie Wöhrle wohnt in einem von 15 noch erhaltenen Häusern in der Norwegersiedlung in Ohlstedt

Es war die berühmte Liebe auf den ersten Blick, und so fiel die Entscheidung für das Haus in Ohlstedt entsprechend schnell. Dazu gehört aber eine kleine Vorgeschichte: Vor drei Jahren standen Julia und Martin Wöhrle, die damals in Heidelberg wohnten und wieder zurück nach Hamburg wollten, schon einmal vor der Kehre am Ohlstedter Stieg, um ein Grundstück anzusehen. „Wow, das muss ja toll sein, hier zu wohnen“, hatten beide damals wie aus einem Mund gesagt. Der Grundstückskauf zerschlug sich. Genau ein Jahr später sahen sie in einer Anzeige, dass eins der damals bewunderten rustikalen Holzhäuser in der Ohlstedter Norwegersiedlung zum Verkauf stand.

Am nächsten Tag reiste das Paar an, am Tag darauf waren sie sich schon mit der Vorbesitzerin, einer 90Jahre alten Dame, einig. „Wir waren glücklich, aber auch ein bisschen irre, wenn wir heute darüber nachdenken“, sagt Julia Wöhrle. Denn es handelt sich bei ihrem Traumobjekt um alles andere als ein normales Einfamilienhaus. Überdies war von Anfang an klar, dass mit größeren Renovierungsarbeiten und Umbauten gerechnet werden musste.

Das Haus in Blockhausbauweise aus norwegischen Montageteilen mit flachem Grasdach gehört zu einer Siedlung mit damals 20Häusern, die Hamburgs Gauleiter Karl Kaufmann im Jahr 1943/44 als Behelfsheime für hohe NSDAP-Funktionäre errichtete. „Erstbezug durch Bedürftige mit Beziehung zur Gauleitung“, steht in den Unterlagen der Denkmalschutzbehörde.

Nach dem Krieg wurden die Häuser von der Saga verwaltet, die sie 1954 an die Bewohner verkaufte. In den Kaufverträgen wurde für die Siedlung festgelegt, dass die neuen Eigentümer sich zu einer Interessengemeinschaft zusammenschließen, „die für die Bewahrung des besonderen Wohncharakters dieser Siedlung sorgt“. 15Blockhäuser aus geschälten dunklen Stämmen, wie ehedem mit weißen Sprossenfenstern und rot-weißen Fensterläden von Architekt Werner Kallmorgen entworfen, sind noch erhalten. Nur selten dringen zu der Idylle Verkehrsgeräusche durch.

Die Lage ist großartig, fand das Ehepaar, wenngleich sie einen Kompromiss darstelle: Julia Wöhrle, von Beruf Tierärztin, wollte unbedingt aufs Land ziehen. Ihr Mann Martin, Pilot, eher stadtnah wohnen. Nun haben die beiden mit den Kindern Luise, 8, und Fiete, 2, beides: Pferdekoppeln, Wald und Wiesen, dazu eine Katze namens Freddie und vier Hühner: Sara, Luca-Marie, Henriette und Drogbar. Das reinste Paradies mit U-Bahn-Anschluss. Nicht zentral, aber verkehrsgünstig. Der Flughafen ist nicht weit, bis zur U-Bahn Ohlstedt sind es zehn Minuten zu Fuß.

Die Vorbesitzerin hatte das ursprünglich etwa 70 Quadratmeter große Haus in den 60er-Jahren mit einem 50Quadratmeter großen Anbau versehen, in vom Milieuschutz vorgeschriebener schwarzer Holzbohlenoptik.

Schnell war klar, dass fast alles saniert werden musste. Der Anbau brauchte neue Fenster, die Wände mussten gedämmt, die Fußböden geschliffen und ausgebessert werden. Heizkörper, Wasser- und Elektroleitungen, Fußleisten, Türen etc. „Eigentlich gab es kaum einen Zentimeter im Haus, den wir nicht anfassen mussten. Wir haben Stück für Stück saniert“, sagt Julia Wöhrle. Zudem war für die vierköpfige Familie ein weiterer Anbau nötig. Der steht jetzt zwar an der Stelle der ehemaligen Veranda, sieht aber ganz anders aus als die eher kleinen, dunklen und niedrigen Räume im Blockhaus: lichtdurchflutet, hoch und großzügig. Die Rundumverglasung und der schwellenlose Übergang zur Terrasse vermitteln das Gefühl, mitten im Garten zu sitzen. Selbst die 6,60Meter lange moderne weiße Küchenzeile bekommt durch einen Schacht Licht von oben.

Das Haus war beim Kauf ein sogenanntes erkanntes Denkmal, das in diesem Jahr zum eingetragenen Denkmal wurde. Einwände gegen die moderne Erweiterung hatte die Behörde nicht. „Die Zusammenarbeit war sehr angenehm“, sagt Martin Wöhrle.