Zugegeben, es ist ziemlich doof, den Schlüssel hinter der Wohnungstür zu vergessen. Auf der falschen Seite natürlich. Aber, nun ja, irgendwann erwischt es jeden einmal. Und da der Scheckkartentrick aus amerikanischen Kriminalfilmen ebenso wenig funktioniert wie ausgedehntes und lautes Fluchen etwas an der Situation ändert, bemüht man einen, ja, Sie ahnen es schon, Schlüsseldienst. Aber natürlich nicht irgendeinen.

Nach einer intensiven Recherche via androidem Telefon im Internet wählt man dann eine der wirklich sehr vielen kostenfreien Servicetelefonnummern. Und – man will ja nicht schon wieder ziemlich doof sein – fragt man explizit nach dem Preis, weil man ja schon so viele Nepper-Schlepper-Bauernfänger-Reportagen im Fernsehen über die angebliche Schlüsseldienst-Mafia gesehen hat.

Es ist kurz vor 17 Uhr, da fällt der Nacht- und Feiertagszuschlag weg, und die stark sächselnde Frau am anderen Ende der Leitung spricht von einer „Allgemeinen Betriebskostenpauschale“ in Höhe von 41,65 Euro brutto (enthalten sind Rüstzeit, Pkw-Anschaffungskosten, Spritkosten, laufende Betriebskosten und derlei mehr) sowie die Kundendienstlohnkosten in Höhe von 29,99 Euro brutto pro angefangener Viertelstunde. Also grob geschätzt etwas mehr als 70 Euro, denn es dauert für gewöhnlich ja höchstens zwei Minuten, um eine ins Schloss gefallene Tür mittels einer laminierten Vokabelkarte zu öffnen.

Interessant ist jedoch das, was die sächselnde Frau in der Zentrale, möglicherweise nicht unbedingt aus Versehen, verschwiegen hat: Dass die Fahrzeit nämlich als Arbeitszeit gerechnet wird und plötzlich viermal 29,99 Euro brutto zusätzlich auf dem Zettel stehen – für vier angefangene Viertelstunden.

Aber Widerspruch erweist sich dann doch als vollkommen zwecklos, denn der Türöffner bemerkt beiläufig, dass er Tschetschene sei; dass er ungefähr 1,90 Meter groß ist und 110Kilogramm schwer, sieht man ja selbst, und wenn er jetzt wegführe ohne die Tür zu öffnen, sagt er sanft, würden knapp 150 Euro für die Anfahrt sowieso fällig. Und, übrigens, seine Firma habe bisher jeden Gerichtsprozess gewonnen. Er lächelt, man zahlt ohne zu lächeln 192,93 Euro und weiß spätestens, wenn die Wohnungstür wieder auf ist, dass die im Fernsehen schon immer die Wahrheit gesagt haben.