Das neue Album der Musikerin aus Hamburg heißt „Verschollenes Tier“

Das Cover zeigt ein Kinderfoto. Das kleine Mädchen darauf ist gerade mit dem Fahrrad gestürzt, hat es aber noch geschafft, in die Kamera zu blicken. „Ich wollte zeigen, dass ich fahren kann. Hat aber nicht funktioniert“, sagt Catharina Sieland und lacht. Cäthe nennt sich die 31 Jahre alte Sängerin, ein Vorname, der in nur zwei Jahren zur Marke geworden ist. 2011 erschien ihr Debütalbum, kürzlich kam ihr zweites Album „Verschollenes Tier“ heraus. Der Titelsong ist eine Erinnerung an ihre Kindheit in der DDR.

Cäthe ist in Sachsen-Anhalt in einem Dorf aufgewachsen. Wie ein Idyll kam ihr das Leben dort vor, mit Feldern hinter ihrem Elternhaus, in die das Mädchen stiften ging, um für sich allein zu sein – was Suchaktionen der Eltern und Schelte nach sich zog. „Ich hatte schon immer meinen eigenen Kopf“, sagt die Musikerin.

Beharrlichkeit gehört zu ihren besonderen Eigenschaften. 2006 kommt sie nach Hamburg, um hier Musik zu machen. Die Metropole hat nicht gerade auf die Musikerin gewartet, die zwar über eine gewaltige Stimme verfügt, aber hier niemanden kennt. Immerhin lernt sie an der hiesigen Musikhochschule im Kontaktstudiengang Popularmusik den Bassisten Flozze kennen, mit dem sie bis heute zusammen musiziert.

Doch bis zu einem Plattenvertrag ist der Weg noch weit und gepflastert mit schlecht bezahlten Jobs als Weihnachtsmann, Crèpe-Verkäuferin und Barfrau. Oft hat Cäthe keinen Cent im Portemonnaie, doch sie glaubt an sich. Und hat Glück, dass die DEAG, einer der großen deutschen Tourveranstalter mit einem kleinen Label im Portfolio, ihr Talent erkennt und ihr Debütalbum sowie jetzt „Verschollenes Tier“ veröffentlicht.

14 Songs hat Cäthe dafür geschrieben. Inzwischen ist sie vom Schlump nach Barmbek gezogen und hat dort einen neuen Rückzugsort für sich gefunden. Mit ihrer Gitarre und dem Computerprogramm Logic entwirft sie ihre Lieder. „Manchmal verfolgt mich ein Wort oder ein Satz, und daraus versuche ich dann, einen Song zu kreieren.

Das Album beginnt mit einer Rocknummer. Auf „Hoch oben nah den Sternen“ zeigt Cäthe, dass Vergleiche mit Pat Benatar oder Joan Jett nicht von der Hand zu weisen sind. Die Wucht und Energie ihrer Liveauftritte ist in dieser Nummer zu spüren, doch ein nach vorne preschendes Rockalbum hat Cäthe nicht abgeliefert. Es gibt eine ganze Reihe von ruhigeren Nummern, die mit einem akustischen Intro beginnen wie „Gelbe Kartons“ oder in denen Streicher den Sound glätten wie in „Funken“. Das Liebeslied „Waffen niederlegen“ hat etwas Chansonhaftes, bei „Tu was du willst, aber tu es langsam“ verwendet Cäthe Blues-Elemente. Die Qualität des Albums liegt neben ihrer ausdrucksstarken Stimme in der stilistischen Bandbreite ihrer Kompositionen. „Songschreiben fängt mit Einsamkeit an“, sagt Cäthe. Oft zieht sie sich in ihre Wohnung zurück, um Gedanken und Eindrücke zu ordnen. Erinnerungen waren bei „Verschollenes Tier“ ebenfalls wichtig und das nicht nur im Titelsong. Das melancholische „Gelbe Kartons“ zum Beispiel beschreibt den Weggang von Cäthes Familie aus der DDR. Ihre Eltern hatten einen Ausreiseantrag gestellt und verließen ihr Heimatdorf wenige Monate, bevor die Mauer im November 1989 fiel, und zogen mit Sack und Pack nach Aalen in Baden-Württemberg, wo ihre Mutter immer noch lebt.

Wenn Cäthe im Herbst auf Tournee geht, wird vor allem Tee getrunken, viel geschlafen und gesund gegessen. „Rock ’n’ Roll 2013 ist harte Arbeit“, sagt sie. Es sei die Belohnung für die Zeit im Studio. „Live zu spielen ist der Antrieb für all die Arbeit vorher“.

Cäthe: „Verschollenes Tier“ (DEAG Music). Cäthe spielt am 22.11. im Knust

2006 kam sie nach Hamburg, um Musik zu machen. Die Metropole hat nicht gerade auf sie gewartet.