Rentner aus Rissen klagt: Auto schluckt viel mehr Treibstoff als angegeben

An den 14.November vergangenen Jahres kann sich Ulf Witt aus Hamburg-Rissen noch sehr gut erinnern. Stolz wie Bolle sei er damals gewesen. Es war jener Tag, an dem sich der Rentner seinen Wunsch-Pkw zugelegt hatte: einen Mercedes C 200 CGI BlueEfficiency, Baujahr 2011 mit knapp 30.000Kilometern Laufleistung. Drinnen alles vom Feinsten, Lederausstattung, beheizbare Vordersitze, sämtliche Extras. „Eigentlich ein Traumauto“, sagt Witt, der schon seit über 25Jahren auf die Marke mit dem Stern schwört.

Doch aus dem Traum ist inzwischen ein Trauma geworden. „Ich war immer zufrieden, aber jetzt bin ich maßlos bedient“, so der 71-Jährige. Er ärgert sich über hohe Verbrauchswerte, die nach eigenen Messungen zwischen 20 und 60Prozent über den Normangaben des Herstellers liegen und ihm satte Mehrkosten bescheren. Mit seinem Frust ist er nicht allein. „Bei uns melden sich viele Autofahrer, die gleiche Erfahrungen gemacht haben“, sagt Christian Schäfer vom ADAC Hansa in Hamburg.

Es gibt zahlreiche Praxistests, zum Beispiel vom ADAC und der Fachzeitschrift „Auto Bild“, die eine klare Botschaft vermitteln: Wer sich einen neuen Pkw anschafft, sollte sich nicht auf die Verbrauchsangaben der Automobilhersteller verlassen, denn im Alltag liegen diese Werte deutlich höher. Laut der neuesten Studie der Forschungsorganisation International Council of Clean Transportation (ICCT) beträgt die Diskrepanz im Schnitt 25Prozent. Vor zehn Jahren waren es nur zehn Prozent.

Das kann Witt bestätigen. Seit der ehemalige kaufmännische Angestellte motorisiert unterwegs ist, prüft er den angegebenen und tatsächlichen Verbrauch seiner Fahrzeuge. „Früher war das ein bisschen mehr, aber nicht in dieser Größenordnung.“ Was ihn verwundert: Auf seinen aktuellen Testfahrten über Land, Autobahn und im Stadtverkehr war er weder mit einem Bleifuß unterwegs, noch hatte er Spritfresser wie die Klimaanlage angeschaltet. „Und dann ist man trotzdem locker 20Prozent drüber“, klagt er.

Grund allen Übels ist der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ). Seit 1996 liegt dieser standardisierte Test den Herstellerangaben zugrunde und garantiert durch ein genormtes Messverfahren auf dem Rollenprüfstand vergleichbare und reproduzierbare Ergebnisse. Mit der Realität haben diese jedoch wenig zu tun. Denn im Alltag beeinflussen auch Faktoren wie das Wetter und beispielsweise Kaltstarts den Verbrauch des Autos. Nicht zu vergessen das Temperament des Fahrers. Das Problem: Beim NEFZ werden Kurzstrecken mit häufigen Kaltstarts ebenso wenig abgebildet wie Fahrten bei Hitze und Kälte oder Autobahnfahrten mit höherem Tempo.

Hinzu kommt, dass die Fahrzeuge laut Schäfer nach NEFZ-Standard entwickelt werden. Um die Werte noch weiter zu drücken, bedienen sich die Hersteller legaler Tricks, die ethisch jedoch bedenklich sind. So kommen Leichtlaufreifen zum Einsatz, und es werden spezielle Schmiermittel verwendet. Sogar die Spalten an Motorhaube oder Scheinwerfern werden abgeklebt, um den Roll- und Luftwiderstand zu verringern.

Ulf Witt hat die Lust an seinem Mercedes inzwischen verloren und will ihn zurückgeben. „Mir wurden dort komplett falsche Verbrauchswerte genannt. Und als ich den Mangel moniert habe, wurde ich sehr schlecht behandelt. Das geht schon in Richtung Betrug“, regt er sich auf. Deshalb hat er dank seiner Rechtsschutzversicherung einen Anwalt eingeschaltet.