Für das Projekt „Jugend Architektur Stadt“ gestalteten 40 Jugendliche ihren Stadtteil mit

Osdorf Irgendwann musste sie ja kommen, die Frage nach dem TÜV. Ob der Technische Überwachungsverein wohl die gewaltige Holzkonstruktion abnehmen wird, die dort jetzt auf dem Rasen vor dem Haus der Jugend im Osdorfer Born etwa drei Meter in den Himmel ragt? Ist die ungesicherte Sitzfläche in 1,50 Meter Höhe nicht vielleicht zu gefährlich? Stehen die einzelnen Balken zu weit raus? Ist die Unfallgefahr zu groß?

Aber so ist das wohl, wenn Jugendliche in ihrem Stadtteil einen echten Hingucker bauen. Dann steht das Experiment eindeutig über der Norm. Genau das war ja die Aufgabe des dreitägigen Workshops: Wir bauen den Hingucker 2013! Ein Projekt von Jugend Architektur Stadt, kurz JAS, mit dem in Berlin, im Ruhrgebiet und eben auch in Hamburg einmal im Jahr die Gestaltung öffentlicher Räume durch Jugendliche ausprobiert wird. Die rund 40 Jugendlichen, die für diesen Ferienworkshop begeistert werden konnten, hatten zuvor erst mal Ideen gesammelt für den Born. Diesen Stadtteil in Hamburgs Westen, der häufig und gerne auf seine graue 1970er-Jahre Hochhausarchitektur reduziert wird. Und dabei trotz der hässlichen Lichtdiebe aus Beton so viele grüne Flächen hat.

Auf bunten kleinen Pappen haben die jungen Menschen mehr als drei Dutzend spannende Vorschläge festgehalten: ein Untergrundspielplatz zum Beispiel oder ein großes Herz mit allen Namen von Osdorf. Sie wünschten sich eine goldene Sitzbank für die Verliebten oder Grillstationen, einen Baum der Erinnerung, große Steine zum Klettern oder sogar ein Königreich.

Und schließlich: Ein großer Thron war gewünscht, auf dem ganz viele sitzen können. „Wir haben erst zwei kleine Modelle gebastelt“, sagt Laurine, 12, „und dann haben wir die beiden Throne, die sich gegenüberstehen und fest miteinander verbunden sind, in Groß nachgebaut.“

Wie würden die Stadtviertel wohl aussehen, wenn sie von Jugendlichen gestaltet wären? Wenn man Stadtentwicklung nicht für, sondern mit Jugendlichen macht? Wenn man deren Wünsche ernst nimmt und mit ihnen auf Augenhöhe über die Gestaltung von Plätzen und Räumen, Straßen und Gebäuden diskutiert. Geht das überhaupt?

„Wenn wir die ‚Stadt für Alle‘ planen, dann müssen wir auch alle beteiligen“, sagt der Oldenburger Stadtplaner Carsten Schoch. Man müsse sich einfach mal trauen, neuen Ideen auch eine Chance zu geben. Vor vier Jahren hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Projekt „Jugend macht Stadt“ initiiert. Seit drei Jahren werden nun, von der Öffentlichkeit noch nahezu unbemerkt, überall im Lande Jugendliche ziemlich ernsthaft in die Entwicklung von Quartieren und die Nutzung von Flächen mit einbezogen.

„Wir fragen die Kinder und Jugendlichen zuerst: Wie soll eure Stadt sein, und wie soll sie nicht sein? Was und vor allem wie kann man es ändern? Was könnt ihr dafür tun? Und was macht ihr bereits?“, sagt Silke Edelhoff von JAS. Ihre Botschaft an die jungen Menschen: „Ihr seid als Raumpioniere gefragt. Gebt der Stadt euer Gesicht!“

Es gibt ein Manifest, das nennt sich „Lebe Deine Stadt“ und ist vor vier Jahren von 42 Jugendbotschaftern aus ganz Deutschland formuliert worden. Elf Forderungen sind dort aufgeführt. Vertraut uns, heißt es ganz am Anfang unter Punkt eins. Und dann: Löst euch vom Alten; baut den Stress ab und Erholung auf; ich will bauen – gib mir Steine; mehr Sport vor Ort; gib deiner Stadt einen Sound – mehr Chancen für lokale Bands. So lauten die einzelnen Punkte, die eines klarmachen: Jugendliche wollen sich mehr und mehr einmischen, wenn es um ihre Belange geht. Man muss sie nur fragen.

In Osdorf muss das erst einmal gelernt werden. „Was soll das werden – ein Galgen?“, fragt ein Anwohner. Dann wird er über das Vorhaben aufgeklärt und packt schließlich selbst mit an.

Der Vorteil, wenn man Jugendliche ernsthaft mitgestalten lässt? „Sie machen die Erfahrung, dass es Kraft, Konzentration und Anstrengung kostet, etwas zu gestalten“, sagt Silke Edelhoff. Es sei einfach, etwas zu kritisieren, wofür man nicht verantwortlich sei. „Wenn man aber in den Prozess der Gestaltung einbezogen wird, schärft das den Blick.“ Man bekomme eine andere Perspektive auf sein Viertel und könne sich viel eher mit ihm identifizieren.

Osdorf ist jetzt zwar nicht wirklich ein Königreich. Aber immerhin haben sie hier nun schon mal einen gewaltigen Thron. Einen echten Hingucker. Nur der TÜV hatte ein paar Einwände. Und deshalb bekommt der Thron nun auch noch ein Geländer.

Ihr seid als Raumpioniere gefragt. Gebt der Stadt euer Gesicht!