Spezialisierte Handwerker setzen jedes Motiv um – von Landschaft bis Fensterbild

Zarte Blütenzweige, Kleiber und Schmetterlinge sollten die Wand zieren, gehalten in matten Farben und einem kontrastierenden, glänzenden Silber: Der Kunde, der die Wandmalerin Ingrid Heinsohn für die künstlerische Gestaltung seines Salons in einer Hamburger Villa beauftragte, wünschte sich das Flair chinesischer Seidentapeten. „Um größtmögliche Perfektion zu erreichen, musste ich die Fläche extrem glatt spachteln und schleifen, denn die hauchzarten Blattsilberquadrate schimmern umso intensiver, je ebener der Untergrund ist“, so die Künstlerin. Wandmalereien erfreuen sich steigender Beliebtheit. Viele Menschen seien das puristische Diktat der Bauhaus-Ära, die uniforme Tristesse monochrom übermalter Raufasertapeten leid und besännen sich wieder auf den Charme historischer Maltechniken, sagen führende Vertreter der Kunstgattung.

Dazu zählt die Illusionsmalerei Trompe l’oeil (Augentäuschung), bei der durch perspektivische Darstellung eine grenzenlose Weite der Landschaft oder ein Fensterbild eine triste Wand oder einen Lichtschacht verschönt. Auch ornamentale Oberflächen, historisierende Motive wie Marmor- oder Steinimitationen, Holz- und Tapetenmalereien, Schabloniertechniken oder Kohlezeichnungen zählen zum Repertoire der Künstler.

Die Sehnsucht nach mehr gestalterischer Opulenz, für „Kunst an der Wand“ steht im engen Zusammenhang mit dem anhaltenden Trend zum „Cocooning“, dem Rückzug in die heimische Sphäre. „Mit der Konzentration auf das Privatleben, der gepflegten Geselligkeit im Kreis von Familie und Freunden wuchs der Wunsch nach kreativer und persönlicher Gestaltung der Wohnräume“, versucht die Uhlenhorster Wandmalerin und Innenarchitektin Reneé Charlotte Melms den Trend zu erklären. Hier seien Wand- und Deckengemälde die ideale künstlerische Ausdrucksform.

Auch die Sehnsucht nach Tradition und alter Handwerkskunst beflügelt die Nachfrage. Künstlerische Vorbilder der heutigen Architektur- und Illusionsmaler sind vor allem die Meister der italienischen Renaissance – allen voran Michelangelo – sowie später des Barock: Mit hoher gedanklicher und handwerklicher Präzision schufen sie exakte Perspektiven mit einer genauen Platzierung von Schatten und Licht, bildeten Nischen, Säulen, Vasen, Figuren und Landschaften fast naturgetreu ab.

Die gewünschte Darstellung sollte zu Größe, Stil und Möblierung des Raumes passen und einen persönlichen Bezug zu den Bewohnern haben. „Wer in einer großzügigen Altbauwohnung oder Villa lebt, die toskanische Landschaft liebt und sich täglich in dieser Wohlfühl-Atmosphäre seelisch aufladen will, hat sein Motiv gefunden“, sagt Ingrid Heinsohn. Gemalt wird, was der Auftraggeber wünscht. Für diese Tätigkeit zahlen Kunden nach Tagessätzen zwischen 700 und 1500 Euro – je nach Komplexität des Auftrags und des künstlerischen Anspruchs. Beim Kennenlern-Termin vor Ort zeigt sich dann, ob die Vorstellungen harmonieren. Das Künstlerpaar Günter Woost und Ingrid Sörensen von Horus Wandmalereien bestellen ihre Kunden gern in ihren Showroom in Hamburg, in dem zahlreiche Beispiele ihrer Arbeiten zu sehen sind. „Es fällt leichter, eigene Wünsche anhand bereits vorliegender Motive zu formulieren“, sagt Günter Woost.