Der Schwergewichtsweltmeister in der Sporthalle Wandsbek, wo er seine Profiboxkarriere startete

Die Reise in die Vergangenheit beginnt für Wladimir Klitschko auf dem Parkplatz hinter der Sporthalle Wandsbek. Kaum ist der Dreifach-Boxweltmeister im Schwergewicht seinem Mercedes-Geländewagen entstiegen, hat er die Bilder von damals im Kopf. „Hier standen die Übertragungswagen der Fernsehsender, dort drüben warteten ein paar Fans, und hier bin ich damals mit meinem Bruder in die Halle gegangen“, sprudelt es aus dem Ukrainer heraus. Damals, das war der 16.November1996, der Tag, an dem Wladimir und Vitali Klitschko ihre ersten Profikämpfe absolvierten.

Als Olympiasieger war Wladimir Klitschko zum Hamburger Universum-Stall gekommen, in ein fremdes Land, das er nur durch seine Bundesligakämpfe für den BCFlensburg kannte. Die Brüder hatten erst wenige Wochen in Hamburg verbracht, bevor ihre Profipremiere anstand. „Es war nass und kalt an dem Abend, typisches Hamburger Wetter“, erinnert sich Klitschko. Als sie in ihrer Wohnung an der Walddörferstraße189 vom Fahrservice abgeholt wurden, wussten sie beide nicht, was sie in der Sporthalle Wandsbek erwarten würde. „Trotzdem war ich nicht besonders aufgeregt. Ich hatte in Atlanta vor großem Publikum geboxt und dachte mir, dass ich es schon schaffen würde.“

Wladimir Klitschko hat mittlerweile die Kabine gefunden, in der er, sein Bruder und weitere Kämpfer aus dem Rahmenprogramm sich damals umgezogen hatten. 27Jahre ist die Sporthalle an der Rüterstraße alt, die Umkleideräume wurden im vergangenen Jahr saniert. Klitschko hat im März 1998 noch einmal in Wandsbek gekämpft, Punktsieg gegen Everett Martin (USA). Er setzt sich in Kabine Nummer sechs, der ersten rechts hinter dem Sportlereingang, auf eine der Holzbänke, dann springt er auf, tänzelt durch den Raum, stößt die Fäuste in die Luft, ganz so, wie er es damals auch gemacht hat, um sich für seinen Kampf zu erwärmen.

Auf vier Runden war sein Debüt angesetzt. Über seinen Gegner, den Mexikaner Fabian Meza, wusste er nichts. „Ich wusste weder seinen Namen, noch hatte ich Videos von seinen vorangegangenen Kämpfen gesehen.“ Mit seinem Bruder, der im Kampf vor ihm gegen den US-Amerikaner Tony Bradham antrat, hatte er eine Wette abgeschlossen. Wer schneller siegen würde, sollte sie gewinnen.

Es ist vor allem die Atmosphäre, die Wladimir Klitschko im Gedächtnis geblieben ist. „Es waren mehrere TV-Teams da, die Halle war rappelvoll. Ich stand auf dem Gang vor meiner Kabine, sah meinem Bruder zu und wartete darauf, dass ich endlich in den Ring gehen durfte“, sagt er. Er steht jetzt genau dort, wo er damals stand, in Begleitung seines Co-Trainers Torsten Schmitz, weil Chefcoach Fritz Sdunek den Hauptkämpfer Artur Grigorian auf dessen WM-Titelverteidigung im Leichtgewicht vorbereiten musste. Der Usbeke galt als der „König von Wandsbek“.

Mittlerweile hat der 37-Jährige sein Smartphone gezückt und auf YouTube das Video seines Profidebüts gefunden. Er amüsiert sich darüber, dass seine Körpergröße mit zwei Metern angegeben wurde. „Ich war nie zwei Meter, nur 1,98, aber zwei Meter hörte sich besser an. Mir war das egal“, sagt er. Auch die Kampfbörse, stattliche 15.000Mark, habe ihn nur zweitrangig interessiert. „In erster Linie wollte ich kämpfen.“

Auf dem Smartphone sieht man jetzt einen 20 Jahre jungen Osteuropäer, der seinen überforderten Gegner zu Boden geschlagen hat und darauf wartet, ob Ringrichter Norbert Krosch das Duell noch einmal freigibt. „Ich dachte damals: Steh bitte nicht wieder auf!“, sagt er und lacht. Meza stand auf, wenige Sekunden später brach er nach einem harten rechten Kopfhaken zusammen. Schwerer K. o., Kampfende nach nur 95Sekunden. „Die Wette mit seinem Bruder hatte er gewonnen, der fünf Jahre ältere Vitali brauchte 159Sekunden länger für den Premierensieg.

Ich war nie zwei Meter, nur 1,98, aber zwei Meter hörte sich besser an.Mir war das egal.