Senat legt neues Mobilitätskonzept vor. Hochbahn startet Pilotprojekt für HVV-Kunden

Hamburg will mit einem Pilotprojekt im Nahverkehr die Straßen vom Autoverkehr entlasten und dafür Bahnen, Busse, Mietwagen, Carsharing und Fahrrad besser miteinander verknüpfen. Dafür hat die Hochbahn am Bahnhof Berliner Tor den ersten Mobilitäts-Service-Punkt eröffnet. Nach einer Registrierung im Internet für die neue Switchh Card (www.switchh.de) können dort Kunden des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) mit Dauerkarten direkt in Mietwagen von Europcar, Smarts von Car2go oder auf Fahrräder umsteigen.

Die HVV-Kunden profitieren in dem neuen System, für das sie monatlich zehn Euro zahlen müssen, von Rabatten. So bietet Car2go, das allein in Hamburg 600 Smarts einsetzt, für Kurzstrecken 60Freiminuten pro Monat und vermindert die einmalige Registrierungsgebühr von 19 auf neun Euro. Mit einer App ist es möglich, am Smartphone nach der Eingabe von Ausgangs- und Zielort zwischen den Zügen und Bussen des Hamburger Verkehrsverbundes, den Autos von Europcar und Car2go sowie den Wagen von myTaxi zu wählen.

Doch auch das ist neu: In Hamburg sollen Bürger, Verbände, Wirtschaft und Umlandvertreter künftig bei wesentlichen verkehrspolitischen Entscheidungen mitreden dürfen. Das geht aus dem Entwurf des „Mobilitätsprogramms 2013“ hervor, das dem Abendblatt vorliegt. Demnach strebt der Senat eine kontinuierliche Verkehrsentwicklungsplanung (VEP) an, bei der ein „Mobilitätsbeirat“ aus Vertretern dieser Gruppen mitreden darf. „Parallel wird in allen Phasen der VEP die Öffentlichkeit beteiligt“, heißt es in dem Programm, das Senat und Bürgerschaft nach der Sommerpause beschließen sollen.

Laut Mobilitätsprogramm wird der Verkehr weiter stark wachsen – zum einen durch das für Hamburg und das Umland erwartete Bevölkerungswachstum. Zum anderen aber auch durch „einen erheblichen Anstieg des hafenbedingten Güterverkehrs“. Zugleich aber zeichne sich eine deutliche Änderung beim „Verkehrsverhalten“ ab, so der Senat. Es sei eine „Trendwende hin zu mehr umweltorientierten Verkehrsmitteln“ und weniger privatem Autoverkehr zu beobachten. „Insbesondere bei jungen Menschen in den Großstädten verändert sich die Wahl der Verkehrsmittel zugunsten des ÖPNV und des Fahrrades.“ Der Anteil des Autoverkehrs ist bei den Hamburgern nach der letzten Erhebung auf 31Prozent gesunken, der des Radverkehrs auf zwölf Prozent gestiegen. Bei den Umlandpendlern liegt der Anteil des Autoverkehrs deutlich höher.

Der Senat will in der Verkehrsplanung auf die veränderten Gewohnheiten und Bedürfnisse der Hamburger eingehen. So legt er im Mobilitätsprogramm neben den Autobahnausbauten, einer Verkehrsleitzentrale, die gerade eröffnet wurde, oder dem Busbeschleunigungsprogramm auch viel Gewicht auf eine bessere Verzahnung der Verkehrsmittel. Bike&Ride und Park&Ride spielen eine wichtige Rolle, ebenso wie die Förderung der Leihsysteme.

Zugleich macht das Senatspapier deutlich, dass es für Autofahrer nicht angenehmer wird: Der Senat will prüfen, an welchen Straßen schärfere Tempolimits eingeführt werden, um Lärm- und Abgasbelastung zu reduzieren. Den Anfang macht die Harburger Chaussee, an der die nächtliche Höchstgeschwindigkeit noch 2013 auf 30 Kilometer pro Stunde reduziert werden soll. Die automatische Vorfahrt für Busse bei Ampelschaltungen dürften zudem zu längeren Wartezeiten für Autofahrer führen. Außerdem werden diese bei Parkgebühren stärker zur Kasse gebeten. Nach Ansicht des Leiters des Amtes für Verkehr, Martin Huber, wird „in zehn Jahren das Smartphone unser wichtigstes Verkehrsmittel sein“. Künftig würden die Menschen die Fortbewegungsmittel ständig wechseln und kombinieren, je nach Bedarf und Ziel. Das Smartphone soll den Verkehrsteilnehmern genau sagen, wie sie am schnellsten von A nach B kommen – unter Einberechnung der Verkehrslage und der Verfügbarkeit von Leihfahrzeugen.

Dass man von einer Art stillen Revolution im Verkehrsgeschehen sprechen kann, zeigt sich auch daran, dass der ADAC sich nicht mehr als reiner Autoclub, sondern als „Mobilitätsclub“ versteht. „Die Analysen zeigen, dass das Auto seit den 1990er-Jahren dramatisch an Wertigkeit verloren hat“, sagt der verkehrspolitische Sprecher des ADAC, Carsten Willms.

Der „Mobilitäts-Servicepunkt“ am Berliner Tor ist ein erster Schritt zum Umsteigen und zum Umdenken. Weitere Umsteigepunkte sollen folgen – an den Stationen Saarlandstraße, Wandsbek-Markt, Bergedorf und Harburg.

Insbesondere bei jungen Menschen in den Großstädten verändert sich die Wahl der Verkehrsmittel zugunsten des ÖPNV und des Fahrrades.