Das Festival auf Kampnagel macht Lust auf Tanz, Theater, Kunst – und auf Yoko Ono

In den Bäumen glänzen Kronleuchter und eine kleine Discokugel, die „Avantgardening“-Beete blühen, Flitter flattert im Juniwind. Wer nie auf dem Kampnagel-Gelände war, für den ist der Sommer – und insbesondere das nun anstehende Internationale Sommerfestival – die allerbeste Gelegenheit, das tolle alte Fabrikgelände am Kanal zu erkunden. Schon das Festivalplakat lässt erahnen, was den Besucher dabei erwartet: Definitiv nichts Erwartbares nämlich. Wie ein Wimmelbild mitten aus dem Sommernachtstraum mutet es an, so verrückt und ausgelassen und heterogen sind die darauf Abgebildeten.

Das Sommerfestival ist ein Festival für die ganze Stadt, keine Nischenveranstaltung trotz des durchaus ambitionierten Angebots, sondern eine wahre Wundertüte an Konzerten (hier wird John Lennons Witwe, die Künstlerin Yoko Ono, der voraussichtlich schnell ausverkaufte Höhepunkt sein), Tanztheater, Kunst-, Diskussions- und Theaterabenden, die vom 7. August an in den Hallen und auf dem Gelände über die Bühnen gehen werden. Es ist das erste Festival, das der neue Leiter András Siebold verantwortet, der nach fünf Jahren auf den sehr erfolgreichen Matthias von Hartz folgt.

Und Siebold, der ein originelles und lustmachendes Programm zusammengestellt hat, bricht zum Glück nicht zwanghaft mit der Handschrift seines Vorgängers. Er hat manch alten Bekannten (zum Beispiel den Franzosen Philippe Quesne oder auch die Musikerin Sophie Hunger) eingeladen, aber auch zahlreiche Ur- und deutsche Erstaufführungen angeschoben. Kein bloßes Best-of anderer internationaler Festivals, sondern vielmehr eine Form der Komplizenschaft mit spannenden Einzelkünstlern und Gruppen.

Zwei große Tanzstücke sind darunter, Olivier Dubois‘ „Tragédie“ aus Frankreich wird das Festival eröffnen. Ein „fulminantes Bildertanztheater“, verspricht Siebold, das im vergangenen Sommer in Avignon uraufgeführt wurde und in Hamburg nun seine Deutschlandpremiere feiern wird. Die Tänzer werden nackt sein, aber die Nacktheit sei „ein bisschen wie in der Sauna“, sagt Siebold und grinst: „Man vergisst das irgendwann.“ In der zweiten Festivalwoche sollten sich dann alle John-Neumeier-Fans auf den Weg nach Winterhude machen – auch, um zu staunen, was das zeitgenössische Ballett jenseits der Stadtgrenzen noch so zu bieten hat. Der Chefchoreograf des Londoner Royal Ballet, Wayne McGregor, kommt das erste Mal in die Stadt, mit einer Hamburger Version seines Stückes „Far“. Und bevor Karin Beier im Spätherbst am Schauspielhaus loslegt, kehrt ihr Vorvorgänger Tom Stromberg mit einer Arbeit nach Hamburg zurück, die auch Freunde des gepflegten Kitsches bezaubern dürfte: Mit Jan Plewka (Selig), für den er bereits einen grandiosen Rio-Reiser-Abend einrichtete, inszeniert Stromberg einen Musiktheaterabend mit Songs von Simon & Garfunkel.

Ein Vorgeschmack auf die Beier-Intendanz gibt auch Christoph Marthaler, ein Meister der Zwischentöne und in Hamburg verehrter Theatermacher, der für seine aufreizende Langsamkeit berühmt ist und mit für marthalersche Verhältnisse verblüffend kurzen 75 Minuten an den Start geht. „King Size“ heißt das charmante, böse und heiter-melancholische Marthaler-Konzentrat.

Yoko Ono als Stargast steht übrigens exemplarisch für die angestrebte Auflösung von Genregrenzen. Die Popularisierung von unbekannteren Formen hat die heute 80-Jährige immer betrieben.

Internationales Sommerfestival 7.–25. August, Programm: www.kampnagel.de, Karten unter Tel.27 09 4949

Die Nacktheit ist ein bisschen wie in der Sauna. Man vergisst das irgendwann.