Im Auktionshaus Cortrie geht es um Geschichte, Leidenschaft – und manchmal auch um ziemlich viel Geld

Mittag bei schönstem Wetter. Wen es jetzt nicht nach draußen zieht, sondern in den fensterlosen Logensaal an der Welckerstraße in der Neustadt, der muss verdammt gute Gründe dafür haben. Kurz vor 14Uhr haben sich etwa drei Dutzend Interessierte hier eingefunden. Generation 50plus, überwiegend Männer. Auffällig unauffällig steht Sicherheitspersonal bereit, man muss sich ausweisen, erhält dann ein Nummernschild zum Hochhalten und nimmt auf einer der Stuhlreihen Platz. In den nächsten vier Stunden geht es um Kunst und um Geld, um Geschichte und um Leidenschaft und ganz profan auch um Glück oder Pech. Die Winterhuder Firma Cortrie mit Sitz am Mühlenkamp hat zu ihrer Auktion geladen, bei der kostbare Uhren versteigert werden. Die größeren Exemplare, aufwendige Tischuhren oder vergoldete Kaminuhren, stehen auf Tischen am Rand des Saals, kleinere Exponate werden in Vitrinen hinter Glas präsentiert. Etwa 600 Nummern sollen unter den Hammer kommen.

Der liegt zwar bereit, hat aber offenbar nur noch symbolischen Wert, denn Auktionator Frank Thernes nimmt ihn nicht in die Hand. Im Publikum kennt man sich, nickt sich zu, nimmt aber sonst kaum Notiz voneinander. In der ersten Reihe sitzen die Beauftragten der Telefonbieter. Das übrige Publikum verteilt sich locker im Saal. Hier treffen Experten aufeinander, die in den nächsten Stunden aber vor allem eines sind: Konkurrenten.

Jeder hat einen der dickleibigen Auktionskataloge vor sich, oft mit Einträgen, Unterstreichungen, Notizen und bunten Klebezetteln versehen. Punkt 14Uhr geht es los, jedes Stück wird mit seiner Nummer aufgerufen, ein Beamer projiziert die entsprechende Abbildung auf eine Leinwand. Auktionator Thernes nennt den Mindestpreis. Goldene Taschenuhren aus dem frühen 20.Jahrhundert erscheinen überdimensional auf der Leinwand. Manche sind für 400 oder 500Euro zu haben.

„Hier liegt ein schriftliches Angebot vor, ich beginne bei 600“, sagt Thernes, und da sich im Saal nichts rührt, bekommt der schriftliche Bieter den Zuschlag. Manche Interessenten haben ihre Gebote auch vorab über Internetplattformen abgegeben. Aber wer im Saal ist, hat die besseren Chancen.

Was sind das für Menschen, die an einem schönen Sonntag – statt an der Alster spazieren zu gehen – mal eben 5000 oder 10.000Euro für eine Armbanduhr oder eine Kaminuhr ausgeben? „Es sind vor allem Sammler und Liebhaber von feinen Uhren, aber durchaus auch Kapitalanleger“, sagt der Uhren- und Auktionsexperte Dieter Zimmermann, der auf jede Frage eine Antwort weiß. Auch darauf, warum Damenuhren so auffällig weniger bringen als Herrenuhren: „Weil Damen keine Uhren sammeln.“

Nach knapp zwei Stunden betreten zwei Asiaten den Raum, unauffällig nehmen sie in einer der hinteren Reihen Platz. „Chinesische Bieter spielen eine enorme Rolle. Sie ersteigern hochwertige Uhren, begehrte Stücke aus Glashütte zum Beispiel“, sagt Zimmermann. Ein Chinese hält seine Bieternummer konstant nach oben, die beiden anderen Bieter im Saal geben auf. „Soll er sie doch haben“, zischt ein älterer Herr, der bei 6500Euro ausgestiegen war. Eine Beobachtungsuhr von Lange & Söhne kommt für 8000Euro unter den Hammer, eine Rolex aus Weißgold bringt glatte 10.000Euro mehr. Dann wird es still im Saal, denn Auktionator Frank Thernes ruft die Katalognummer 4374 auf, ein Spitzenstück, dessen Mindestpreis mit 19.000Euro angegeben wird. Es ist eine goldene Taschenuhr mit Perlenrand und feinster Emaillemalerei, die Kirschpflücker in idyllischer Landschaft zeigt. „Es liegt ein schriftliches Angebot vor, wir beginnen mit 21.000Euro“, sagt Thernes. Ab etwa 40.000 sind nur noch der Chinese im Saal und zwei Telefonbieter im Rennen. Als der Chinese den Zuschlag bekommt, gibt es Beifall. „78.000Euro zum Dritten“, hat der Auktionator gesagt – und anschließend hörbar ausgeatmet.