„Das mit dem Glücklichsein“ heißt das neue Album von Stefan Gwildis. Eine Nostalgie-Dosis

Es gibt demnächst bestimmt Frauen, die sich wünschen, als Stefan Gwildis’ Studio-Mikrofon wiedergeboren zu werden. Dann würde er sie, und nur sie allein, ganz virtuos jazzig ansäuseln und sein leicht angerauter Straßenköter-Bariton würde sie mit lässigen Herzensknicker-Sprüchen vollflirten. Wie dieser Typ in „Schieß mich doch zum Mond“ – Gwildis’ Version des Sinatra-Klassikers „Fly Me To The Moon“ – sein erstes „Komm her zu mir“ so smart unter die Haut singt, ist eigentlich überhaupt nicht jugendfrei und doch ganz harmlos. Im Hintergrund, obwohl Hintergrund abwertender klingt, als es gemeint ist, säße dann die NDR Bigband und würde die handverlesenen Standards sehr gekonnt veredeln und gut gekühlt servieren. Und am Ende, nach 13Titeln, wäre ihnen ganz anders, als Mikro von diesem Mann. Weil sie da etwas hautnah erleben durften, was man hierzulande schon lange nicht mehr so elegant zu hören bekam.

„Das mit dem Glücklichsein“, der neue Gwildis, ist eine Nostalgie-Dosis wie aus dem Manufactum-Katalog. Schon das Cover sieht wie eine „Blue Note“-Blaupause aus, der Schrifttyp, die Grafik, das Layout. Feels like 1963 spirit. Es gibt sie eben doch noch, die guten Titel. Jazz-Klassiker aus dem „Great American Songbook“ von Cole Porter, Van Morrisons „Moondance“, aus „I’ve Got You Under My Skin“ wird „Du hast mich ganz in der Hand“.

So isser, der Gwildis, so war er immer schon. Der greift am liebsten ganz nach oben im Plattenregal, dorthin, wo die Ewigkeitswerte stehen, über die alle sagen, Stefan, mach das mal lieber nicht. Einfach mal ausprobieren. Und dann mal sehn, wie das wird. Das hat Gwildis mit etlichen Soul- und R&B-Klassikern gemacht, und auch hier funktioniert die Idee mit den guten deutschen Texten bestens. Routinierte Kumpel wie Michy Reincke oder Stefan Claussen haben an den deutschen Versionen mitgeschrieben, alle Arrangements stammen vom öffentlich-rechtlichen Bigband-Chef Jörg Achim Keller.

Einige Lyrics lieferte auch ein ehemaliger Texter von Hildegard Knef, und als kleine Überraschung mit Hamburger Lokalkolorit ist „Der Einsame (Abend)“ aus der Feder des Komikers Heinz Erhardt mit dabei, der auch ganz anders konnte als nur schenkelklopferalbern. Erhardts Enkelin hat ihm einige Texte zur Auswahl gegeben, das wäre doch vielleicht was, meinte sie. Wurde dann ja auch was. Fast drei Jahre hat Gwildis mit seinen Kollegen an diesem Konzept geschraubt und gefeilt. Veröffentlicht wird das Album bei 105 music, dem kleinen feinen Label aus Hamburg, das sich immer wieder solche Entertainer-Leckerbissen leistet. Ina Müller und Roger Cicero sind auch da unter Vertrag. Die erste Portion vom Alterswerk also auch? Kann man so nicht sagen. „Das ist ein Herzenswunsch, den ich schon ganz lange habe.“ Also bloß nichts voreilig vom Zaun brechen dabei. Anfangs waren etliche Songs mehr in der Auswahl, doch beim einen oder anderen legten die jeweiligen Verlage ein Rechteinhaber-Veto ein. „Es gab aber auch Songs, bei denen wir gemerkt haben, Alter, das wird nichts, da kommen wir nicht dran mit so einer Bigband-Version“, berichtet Gwildis ganz entspannt und stolz auf das Geleistete.

Bei der Frage, ob er nun so etwas wie der Roger Cicero für die Generation Ü40 wäre, muss er allerdings dann doch schmunzeln. „Ich bin nicht so’n Gelehrter. Als Nichtstudierter seh ich die Dinge einfach anders“, findet er. Und auch auf die Frage, ob als Fortsetzung des Spätwerks und zur Steigerung der Nostalgie demnächst ein Country-Album in Arbeit ist, gibt Gwildis Entwarnung. Nachmacher-Country kann er ohnehin nicht ab. Man muss sich das echte Zeug schon in den USA ansehen, findet er, bei den Truckern sein, die ihre Burger muffeln und die Songs mitsingen. So geht das. Aber dennoch, „das nimmt mich nicht so mit auf die Reise wie einige dieser Jazz-Geschichten“.

Gwildis ist in der gesetzlichen Krankenkasse. Nicht, dass das für seine Musik entscheidend wäre, und rausgerutscht ist ihm das eh nur zufällig, während die Fotos gemacht werden, beim Stichwort Passfoto. Aber genauso etwas sagt ja nun mal auch etwas über diesen Typen, der auf der anderen Seite des Literaturhaus-Tischs in seiner heißen Zitrone rührt. Alter, lass mich an Land mit Chichi, signalisiert das Grinsen. Auf Distanz bleiben kann Gwildis nicht, das formale Interview-Sie wird sofort niedergeduzt. Bodenständig ist er, geerdet, einer von uns. Ehrliche Haut, weiß, wovon er singt. Im HVV-Tarifgebiet ist Gwildis, Barmbek’s Finest, auf jeden Fall ein Weltstar. Im Rest der Republik kennt und schätzt man ihn auch schon seit Jahren, und mit dieser Platte wird man wohl einen ganz anderen Gwildis kennenlernen als den Soulbrother.